13.09.2023

Rekordhoch der Aiwanger-Partei ist deftige Klatsche für „Süddeutsche“-Berichterstattung

Eines war der „Süddeutschen Zeitung (SZ)“ klar, als sie vor zweieihalb Wochen erstmals über ein angeblich von dem 17-jährigen Hubert Aiwanger im NS-Jargon verfasstes Flugblatt berichtete: dass dies die bayerischen Landtagswahlen am 8. Oktober beeinflussen wird.

Ob die SZ-Redakteure in erster Linie den Freien Wählern (FW) und ihrem Spitzenkandidaten Hubert Aiwanger schaden, ob sie Markus Söder und die CSU in Schwierigkeiten bringen oder den oppositionellen Grünen helfen wollten, werden wir nie erfahren. Sicher ist nur: Die Freien Wähler sind, wenn die Demoskopen nicht völlig falsch liegen, die Profiteure.

Nun kann man einer Redaktion nicht vorwerfen, mit Rücksicht auf eine nahende Wahl eine „heiße Story“ nicht zu bringen. Zumal auch andere Medien die „Flugblatt-Affäre“ recherchierten.

Doch macht es einen Unterschied, ob eine Zeitung auf belegte jugendliche Verfehlungen eines führenden Politikers hinweist oder ob sie das Ganze so darstellt, als gebe es eine Verbindung des „Auschwitz-Pamphlet“ mit der aktuellen Politik des stellvertretenden bayerischen Ministerpräsidenten.

Letzteres aber hat die SZ getan. Sie hat nicht sachlich berichtet, was ihre Recherchen ergeben hatten. Vielmehr hat sie das Ganze so dargestellt, als hätte die angeblich antisemitische Einstellung des 17-Jährigen Gymnasiasten 35 Jahre später zu den umstrittenen Äußerungen Aiwangers in Erding geführt. Dort hatte er nämlich gesagt, die schweigende Mehrheit solle sich die Demokratie zurückholen.

Kein Beschuldigter ist verpflichtet, seine Unschuld zu beweisen

Diese Beweisführung nach dem Motto „einmal Nazi, immer Nazi“ war geradezu lächerlich. Denn die Nazis wollten nie die Demokratie „zurückholen“. Die Nazis wollten sie abschaffen, was ihnen auf brutale Weise gründlich gelungen ist.

Aiwangers Einlassungen von Erding lassen sich als populistischen Unsinn abtun. Müsste die Demokratie nämlich erst noch zurückgeholt werden, gäbe es jetzt in Bayern keine Wahlen.

Vielleicht wollte Aiwanger nur auf die weitverbreitete Stimmung eingehen, „die da oben“ hörten nicht aufs Volk und wer linksgrünen Thesen nicht zustimme, gerate unter Nazi-Verdacht. Aber der Holzhammer liegt ihm eben mehr als das Florett.

Man kann Aiwanger vorwerfen, auf entsprechende Anfragen der SZ nicht klug und clever reagiert zu haben. Hätte er sofort glaubhaft versichert, nicht er, sondern sein Bruder habe das Flugblatt verfasst, hätte die SZ ganz anders berichten müssen.

Aber: Kein Beschuldigter ist verpflichtet, seine Unschuld zu beweisen. Und wenn ein massiv Angegriffener sich nicht so gut verteidigt, wie es angezeigt wäre, verdient der Angreifer noch lange keinen Heiligenschein.

SPD-Lokalpolitiker als Quelle

Ebenfalls nicht seriös war der Umgang der SZ mit ihrem Kronzeugen, einem ehemaligen Lehrer an Aiwangers Gymnasium im niederbayerischen Mallersdorf-Pfaffenberg. Der hatte das unsägliche Flugblatt 35 Jahre lang aufbewahrt, um es jetzt gegen jemanden zu verwenden, der politisch anderer Ansicht ist als er.

Dieser Lehrer ist der örtlichen SPD eng verbunden. 2020 kandidierte er auf der SPD-Liste zur Kommunalwahl. Dies aber hat die SZ ihren Lesern vorenthalten.

Korrekt hätte die SZ die Öffentlichkeit wissen lassen, müssen, ihre wichtigste Quelle sei ein SPD-Lokalpolitiker. Dann wäre noch deutlicher geworden, dass es hier nicht nur um Aufklärung, sondern gleichzeitig um knallharten Wahlkampf geht.

Sehr vieles über Aiwangers Schulzeit bleibt im Unklaren. Seine Entschuldigung für „den Scheiß“, den er als Jugendlicher nach eigenem Eingeständnis gebaut hat, an dessen Einzelheiten er sich aber nicht erinnern kann oder will, bleibt dubios. Aber auch hier gilt: Nicht angemessener Umgang mit erhobenen Vorwürfen ist im Nachhinein keine Rechtfertigung für wahlkampfgetriebenen Kampagnen-Journalismus.

Schuss der SZ ist nach hinten losgegangen

Die Bürger sind bekanntlich nicht so dumm, wie Politiker und Journalisten gerne vermuten. Die Bayern jedenfalls haben deutlich gespürt, welch Spiel hier gespielt, wie unfair mit einem der Ihren umgegangen wird. Das kommt den aktuellen Umfragen zufolge Aiwanger und den Freien Wählern zugute.

Die 17 Prozent der Bayern, die laut der neuesten Umfrage ihr Kreuz bei den Freien Wählern machen wollen, sind wohl nicht ausnahmslos von dem Politiker Aiwanger überzeugt. Viele werden ihn wählen, weil sie gegenüber der SZ und vielen anderen Medien ein Zeichen setzen wollen: So nicht!

Was immer die SZ als Ergebnis ihrer einseitigen Berichterstattung erwartet haben sollte: In Bezug auf die Freien Wähler ist der Schuss nach hinten losgegangen. Die Freien Wähler werden stärker abschneiden als jemals zuvor.

Ebenso nicht aufgegangen ist das Kalkül vieler Medien, der Grünen und der SPD, Ministerpräsident Söder werde seinen Vize entlassen. Damit wäre die „Bayern-Koalition“ beendet und für die Zeit nach der Wahl ausgeschlossen gewesen.

In diesem Fall hätte Söder mit den Grünen oder der SPD regieren müssen. Man sah den Politikern der bayerischen Opposition förmlich an, wie eifrig sie „die Demokratie retten“ wollten – durch ihre eigene Beteiligung an der Landesregierung.

Indem Grüne und SPD ebenso schnell wie begeistert auf den SZ-Zug aufgesprungen sind, haben sie bei den Wählern nicht gepunktet, im Gegenteil. Die Grünen liegen mit 15 Prozent vier Punkte hinter ihrem Ergebnis von 2018 – und noch hinter den Freien Wählern. Der SPD droht mit 9 Prozent ein ähnliches Debakel wie vor fünf Jahren (9,7 Prozent).

Verlierer der SZ-Kampagne ist die CSU

Zum Verlierer der SZ-Kampagne könnten Markus Söder und die CSU werden. Er hat heftigem medialen Druck wiederstanden und nach dem bewährten rechtsstaatlichen Grundsatz „Im Zweifel für den Angeklagten“ gehandelt. Der Preis: Die CSU ist in den Umfragen von 39 Prozent „vor dem Flugblatt“ auf 36 Prozent zurückgefallen.

Wahrscheinlich stünde die CSU noch schlechter da, wenn Söder Aiwanger aufgrund unbewiesener Vorwürfe und einer unfairen Kampagne gefeuert hätte. Dann lägen die Freien Wähler wohl bei 20 Prozent oder mehr.

36 Prozent für die CSU – das wäre nochmals weniger als die 37,2 Prozent von 2018, dem historisch schlechtesten Wahlergebnis seit 1950. In der SZ-Redaktion, die die lange CSU-Regentschaft nicht gerade begeistert begleitet, würde man über diesen Kollateralschaden nicht allzu traurig sein. Doch gestärkte Freie Wähler werden die Landespolitik zulasten der CSU künftig stärker bestimmen als bisher.

David Lloyd George regierte Großbritannien während des ersten Weltkriegs. Was er damals über Wahlen sagte, passt bestens auf die Lage in Bayern: „Wahlen sind manchmal die Rache des Bürgers. Der Stimmzettel ist auch ein Dolch aus Papier“.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 13. September 2023)


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