20.06.2018

Wenn CDU und CSU getrennt marschieren, schlagen sie sich selbst

Parteistrategen der Union, vor allem solche aus Bayern, haben schon immer gern im Sandkasten gespielt. Da bauen sie zuerst eine große Unions-Burg. Dann machen sie diese platt und formen aus demselben Sand zwei neue, kleinere Burgen – eine CDU-Burg und eine CSU-Burg. Und die sind dann – welche Überraschung – zusammen höher als die alte Unions-Feste.

Die harte Auseinandersetzung zwischen CDU und CSU über den Umgang mit richtigen und sogenannten Flüchtlingen hat die Trennungs-Phantasien beflügelt. Eine aktuelle INSA-Umfrage scheint den Trennungs-Befürwortern sogar Recht zu geben. Demnach kommen CDU/CSU derzeit nur noch auf 29 Prozent. Würde die CDU aber auch in Bayern antreten und die CSU auch außerhalb Bayerns, dann stimmten jetzt 22 Prozent für die CDU und 18 Prozent für die CSU. Die Union wäre wieder fast so stark wie zu Kohls Zeiten: 40 Prozent.

Natürlich spricht vieles für ein getrenntes Marschieren der beiden ziemlich entfremdeten Schwestern. Die vom CSU-Ballast befreite „moderne“ CDU würde die Fans von Schwarz-Grün an sich binden. Die konservative CSU könnte zur AfD abgewanderte Wähler zurückgewinnen. Zusammen wäre man wieder ganz stark. Soweit die Theorie.

In der Praxis liefe es aber wohl anders ab. Ein Wettbewerb zwischen CDU und CSU würde zunächst die CDU schwächen. Denn die Bayern hätten künftig im Verhältnis zur CDU viel mehr Abgeordnete. Zwangsläufig würden zwei Unionskandidaten sich in den Wahlkreisen gegenseitig Stimmen wegnehmen. Das führte vor allem bei der CDU zum Verlust vieler Direktmandate. Und weil die CDU mehr zu verlieren hätte als die CSU, würden die CDU-Kandidaten sich heftig gegen die neue Konkurrenz zur Wehr setzen. CDU und CSU kämpften also mehr gegeneinander als miteinander gegen Rote, Grüne oder Blaue. Und wie wir aus der Geschichte wissen, verlaufen Bruderkriege besonders brutal und blutig. Das wäre bei einem Schwesterkrieg nicht anders.

Was bei diesen Sandkastenspielen gerne übersehen wird: Falls CDU und CSU sich bundesweit dem Wähler stellen, dann können sie hinterher keine Fraktionsgemeinschaft mehr bilden. Denn die Geschäftsordnung des Deutschen Bundestags erlaubt das nur Mandatsträgern solcher Parteien, "die aufgrund gleichgerichteter politischer Ziele in keinem Land miteinander in Wettbewerb stehen". Man kann sich also nicht mal nur kurz für den Wahlkampf trennen und sich hinterher wieder vereinen. Ein bisschen Scheidung gibt’s auch hier nicht.

Natürlich könnten CDU und CSU nach der Wahl koalieren, wozu aber nach Lage der Dinge ein dritter Partner notwendig wäre. Eine dezidiert um konservative Wähler werbende CSU müsste im Wahlkampf ein Zusammengehen mit den Grünen ausschließen, was die CDU ihrerseits gewiss nicht täte. Ohne CSU könnte eine 22-Prozent-CDU jedoch von der SPD überholt und somit zum Juniorpartner degradiert werden – ohne Aussicht auf das Kanzleramt.

Ja, über die Chancen konkurrierender Unionsparteien lässt sich trefflich spekulieren. Ein Erfolgsmodell wäre das aber nicht. Beide Parteien lieferten sich einen harten Wahlkampf und schreckten damit auch potentielle Wähler ab. Getrennt marschieren und vereint schlagen hieße in diesem Fall: CDU und CSU schlagen sich selbst.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 20. Juni 2018.


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