12.02.2024

Jetzt zeigt sich, was die guten Vorsätze von Lang und Klingbeil wert sind

Die Hoffnung stirbt bekanntlich zuletzt. Wer sich aber falsche Hoffnungen macht, der wird ganz schnell mit der Wirklichkeit konfrontiert. Und die sieht meistens düsterer aus als das, was man sich erwünscht oder erträumt hatte.

„Stark macht uns unsere Bereitschaft zum Kompromiss“, hatte Bundeskanzler Olaf Scholz in seiner Neujahrsansprache verkündet. Und: „Nichts wird besser, wenn wir nur übereinander reden, anstatt miteinander“. Schon kurz zuvor hatte Scholz in einem Interview gefordert: „Und vor allem muss dieser ständige Streit aufhören.“

Ja, es hatte in der rot-grün-gelben Ampel nicht an guten Vorsätzen für das neue Jahr gefehlt. Die wichtigsten Akteure hatten Fehler eingestanden, Besserung gelobt und eine gewissen Optimismus an den Tag gelegt – vor allem Sozialdemokraten und Grüne.

Die guten Vorsätze von Lars Klingbeil und Ricarda Lang

Der SPD-Vorsitzende Lars Klingbeil sagte zu Beginn des Jahres, „wir müssen besser werden in der Regierung, weniger streiten, mehr erklären und politische Entscheidungen treffen für die arbeitende Mitte in diesem Land.“ Zudem zeigte er sich „sehr sicher, dass sich der Kanzler in diesem Jahr zurückkämpft.“

Ebenfalls gedämpft optimistisch hatte sich zu Jahresbeginn die Grünen-Vorsitzende Ricarda Lang gegeben. Ihre Analyse: Koalitionen sind dann stark, wenn es nicht den Versuch gibt, den anderen möglichst schwach zu halten. (…) Wir sind nur dann stark, wenn auch der Koalitionspartner stark ist.“

Allerdings sind Politiker auch nur Menschen. Deshalb ergeht es ihnen nicht anders als fast allen anderen, die zum Jahreswechsel gute Vorsätze fassen. Diese sind nach ein paar Wochen wieder vergessen. All die Fehleranalysen der Koalitionäre haben nichts gebracht. Auch die leise Hoffnung, die Ampel habe nach der Überwindung der Pandemie, der erfolgreichen Umstellung der Energieversorgung von russischem Gas auf andere Quellen und mehreren Kompromissen zur Unterstützung der Ukraine das Schlimmste hinter sich, bewahrheitete sich nicht.

Dem erhofften rot-gelb-grünen Neuanfang im Jahr 2024 wohnt kein Zauber inne

Im Gegenteil. Der Etat für 2024 konnte noch mit einem Kraftakt unter Dach und Fach gebracht werden. Doch alle Berechnungen zeigen, dass 2025 Haushaltlöcher in zweistelliger Milliarden-Höhe drohen. Da drohen neue, heftige Kämpfe innerhalb des Regierungslagers.

Das finanzielle Desaster kann die Ampel nicht mit irgendwelchen unvorhersehbaren weltpolitischen Ereignissen begründen. Das hat sie selbst zu verantworten, weil sie 2021 versucht hatte, ihre großzügige Ausgabenpolitik mit verfassungswidrigen Haushaltstricks zu finanzieren. Bis sie von den Karlsruher Richtern unsanft gestoppt wurde.

So wohnt dem erhofften rot-gelb-grünen Neuanfang im Jahr 2024 kein Zauber inne. Darauf lastet eher der Fluch, dass der Wunsch der Koalitionspartner, die CDU/CSU als Kanzler- und Regierungspartei abzulösen, ungleich größer war als die inhaltlichen Gemeinsamkeiten der drei Koalitionspartner.

So streiten die drei auch im neuen Jahr munter und laut weiter. Die SPD ruft ständig nach einer Aufhebung der Schuldenbremse, obwohl die FDP strikt dagegen und die CDU/CSU nicht bereit ist, bei einer dafür notwendigen Verfassungsänderung mitzumachen.

Steuersenkungen, Bürgergeld, Taurus - die neuen Schlachtfelder der Ampel

Umgekehrt fordert die FDP fast täglich Steuersenkungen, wohl wissend, dass SPD und Grüne hierzu prompt nein sagen. Die Grünen wiederum beharren auf einer großzügigen Erhöhung der Leistungen für Familien mit Kindern unter der Überschrift „Kindergrundsicherung“. Doch die FDP verbindet ihren prinzipiellen Widerstand gegen das damit verbundene Bürokratiemonster mit dem Verweis auf die leeren Kassen.

Noch ein Schlachtfeld: SPD und Grüne beharren darauf, dass die im Vergleich zu Hartz IV mit der Grundsicherung deutlich erhöhten Leistungen bei weniger Sanktionsmöglichkeiten ein großer Fortschritt seien. Die Freien Demokraten hingegen verlangen dagegen schon jetzt eine Nullrunde für 2025. Ein Konsens innerhalb der Ampel zeichnet sich auch nicht bei der Lieferung von Marschflugkörpern vom Typ Taurus an die Ukraine ab. Der Kanzler zögert wieder einmal - zum Gefallen der eigenen Parteilinken. Grüne und FDP dagegen drängen auf eine rasche positive Entscheidung.

Mit Blick auf all diese Konfliktfelder innerhalb der Ampel könnte es sogar ein Zeichen der Hoffnung sein, dass Wirtschaftsminister Robert Habeck und Finanzminister Christian Lindner immerhin darin übereinstimmen, dass die deutsche Wirtschaft aus vielerlei Gründen an Wettbewerbsfähigkeit einbüßt.

Beim „Wie“ enden die Gemeinsamkeiten von Habeck und Lindner

Hier wirken viele Versäume aus den Zeiten der Großen Koalition nach. Gleichwohl nutzt der Wirtschaft jetzt nicht die Klärung der Schuldfrage; sie braucht bessere Standortbedingungen. Doch beim „Wie“ enden die Gemeinsamkeiten des grünen Wirtschaftsministers und des FDP-Finanzministers.

Habeck will etwaige Sonderabschreibungen und andere Erleichterungen über Schulden finanzieren, was Lindner erwartungsgemäß ablehnt. Der Forderung von Scholz, mit dem „ständigen Streit“ aufzuhören, werden beide nicht nachkommen.

Die SPD hält sich bei dieser neuesten Auseinandersetzung zwischen Grünen und Gelben bisher zurück. Doch kann man getrost davon ausgehen, dass die Sozialdemokarten bei jedem Euro zugunsten der Wirtschaft mehr Geld für Soziales fordern werden. Da ist der nächste Konflikt bereits programmiert.

Wie hatte es Olaf Scholz so schön formuliert: „Stark macht uns unsere Bereitschaft zum Kompromiss“! In der Tat kann eine Koalition nicht ohne Kompromisse funktionieren. Aber eine Koalition ist überfordert, wenn jede Entscheidung von Gewicht erst nach zähem Ringen hinter den Kulissen und ständigen Streitereien auf offener Bühne begleitet wird.

Die Grünen-Vorsitzende hat ja recht: Eine Koalition ist nur dann stark, wenn alle Partner stark sind. Aber keiner der drei „Ampelianer“ scheint den anderen Partnern etwas zu gönnen. So gesehen hat das neue Ampel-Jahr begonnen wie das alte endete – mit viel Krach und wenig Konsens.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 12. Februar 2024)


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