19.01.2024

Lang reagiert arrogant auf den Unmut der Deutschen

Interviews zu geben gehört für Ricarda Lang zum Tagesgeschäft. Und eloquent ist die Co-Vorsitzende der Grünen. Sie spricht im Gegensatz zu vielen anderen Politikern meist druckreif.

Was sie sagt, klingt zunächst einmal gut im Vergleich zum Gestammel manch anderer Politiker. Doch der gute Eindruck schwindet, wenn man nicht allein auf den „Sound“ achtet, sondern ebenso auf den Inhalt.

Lang hat jetzt dem ARD-Magazin „kontrovers“ ein Interview gegeben. Es sollte in erster Linie um die Bauern und ihre Proteste gehen. Doch Lang schaffte es, das Thema weiträumig zu „umfahren“.

Das Kommunikations-Argument ist nicht nur billig, sondern auch arrogant

Wenn etwas schief läuft - und es läuft sehr vieles schief im Ampel-Land - finden Politiker meist schnell eine Ausrede: die Vorgängerregierung, das Ausland, das Wetter. Lang bediente sich einer anderen gängigen Ausrede: ungenügende Kommunikation.

Man kann es nicht mehr hören, doch Lang kennt da keine Gnade. Die Proteste der Landwirte, der Spediteure, der Gastronomen, das Umfragetief der Ampel-Parteien: Das alles liegt nach Ansicht der Grünen nicht an der Politik der Bundesregierung, sondern in erster Linie an der „nicht wirklich guten“ Kommunikation.

Das Kommunikations-Argument ist nicht nur billig, sondern auch arrogant. Es besagt nämlich: Unsere Politik ist eigentlich großartig. Aber wir verkaufen sie schlecht und deshalb merken die Bürger gar nicht, wie großartig sie eigentlich regiert werden. Also irgendwie sind die Bürger selber schuld, wenn sie nicht sehen, wie gut es im Land läuft.

Wie weit Politiker wie Lang sich von der Lebenswirklichkeit entfernt haben, belegt die Grüne mit ihren Einlassungen zu der vom grünen Landwirtschaftsminister Cem Özdemir geplanten „Tierwohlabgabe“. Tierwohlabgabe, das ist ein schönes, verniedlichendes Wort für eine Zusatzsteuer auf Fleisch.

Lang setzt da noch einen drauf, nennt das schönfärberisch sogar einen „Bauernsoli“. Mit dessen Ertrag soll den Landwirten geholfen werden, ihre Ställe so umzubauen, dass die Tiere aus grüner Perspektive „artgerecht“ gehalten werden können.

„Bauernsoli“ - das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen.

Lang offenbart da ein ziemlich verqueres Verständnis von Solidarität. Gemeinhin versteht man unter Solidarität, dass Menschen sich gegenseitig unterstützen.

Bestes Beispiel ist die gesetzliche Krankenkasse: Der Beitrag steigt mit dem Einkommen. Aber jeder hat Anspruch auf die gleiche Leistung, ganz unabhängig von der Höhe seiner Beitragsleistung.

Der Staat macht den Landwirten mit Vorschriften das Leben schwer

Solidarität mit den Bauern sieht im Lang‘schen Verständnis dagegen so aus: Der Staat macht den Landwirten mit immer neuen Vorschriften das Leben schwerer und die Produktion teurer. Und die Verbraucher dürfen unter anderem mit dem „Bauernsoli“ die dadurch steigenden Preise zahlen - im Geist der „Solidarität“.

Wie wär’s eigentlich, wenn die Ampel-Parteien damit anfingen, sich gegenüber den Bauern solidarisch zu verhalten. Dazu gehört beispielsweise Verständnis dafür, dass es ein enormer Wettbewerbsnachteil ist, wenn unsere Bauern für den Diesel mehr zahlen als viele ihrer europäischen Wettbewerber.

Solidarität mit den Landwirten würde dem Staat noch nicht einmal zusätzliche Kosten aufbürden. Die Politik müsste nur aufhören, die Landwirtschaft weiterhin so zu gängeln, wie das nicht erst seit Antritt der Ampel der Fall ist.

Um auf das Interview zurückzukommen. Weil Lang sich nicht zu sehr auf die Proteste der Bauern einlassen wollte, propagierte sie ein „neues Gerechtigkeitsversprechen für die Mitte der Gesellschaft“, also für alle, die morgens aufstehen, hart arbeiten, aber trotzdem die Miete kaum zahlen können.

Lang weiß, mit Begriffen zu jonglieren

Und wie soll dieses Versprechen aussehen? Dazu sollen höhere Löhne ebenso zählen wie „endlich den Mieterschutz voranzubringen“. Nur: Die Bundesregierung ist - zum Glück - für Löhne nicht zuständig. Und die Mieten sind nicht so hoch, weil der Mieterschutz nicht ausreicht, sondern weil Wohnungen fehlen. Durch grüne Pläne, die Mieten noch stärker zu begrenzen, wird keine einzige neue Wohnung entstehen.

„Bauernsoli“, „neues Gerechtigkeitsversprechen“: Lang weiß, mit Begriffen zu jonglieren. Doch in der Politik kommt es in erster Linie auf die Taten an, nicht auf die Begleitmusik. Denn die beste Kommunikation kann auf Dauer schlechte Politik nicht verdecken. Die Bürger sind halt schlauer, als manchem Politiker lieb ist.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 19. Januar 2024)


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