17.05.2009

Die rot-rot-grüne Wende ist "schaudernd realistisch"

Das Buch "Volksrepublik Deutschland. 'Drehbuch' für die rot-rot-grüne Wende" (Olzog-Verlag) hat Debatten ausgelöst. Autor Hugo Müller-Vogg, der als Publizist und Kolumnist für die "Bild" tätig ist, beschreibt die Reaktionen.

"Ich mache überall Werbung für Ihr Buch". Der mir das auf einem der Berliner Stehempfänge fröhlich zurief, war kein Marketing-Mann meines Verlags; es war ein Bundesminister von der CDU. Gut für ihn, dass Volker Kauder, der Fraktionsvorsitzende der CDU/CSU, das nicht mitbekommen hat. Der sieht das "Drehbuch für die rot-rot-grüne Wende" viel kritischer. Sein Urteil: "Völlig falsche Botschaft." Schon der Gedanke, dass es für Schwarz-Gelb nicht reichen könnte, ist dem CDU-Kämpen zuwider. Freilich scheint Kauder mit seiner Einschätzung unter Unions-Politikern ziemlich allein zu stehen. Der niedersächsische Ministerpräsident Christian Wulff teilte per SMS mit, das Szenario sei angesichts des Verhaltens der SPD in den Ländern "schaudernd realistisch". Und dann wünscht er sich und allen Deutschen, "dass der Autor nicht in die Zukunft schauen kann".

Die Sozialdemokraten gehen mit dem Thema anders um. SPD-Chef Franz Müntefering hält es mit der Devise, einfach zu negieren, was ihm nicht gefallen kann. Als er in einer Journalisten-Runde gefragt wurde, was er von dem rot-rot-grünen Szenario für den Machtwechsel halte, verkündete er, er kenne das Buch nicht. Als Antwort bekam er sofort ein Exemplar. Ob er es gelesen hat oder von einem Referenten hat lesen lassen? Geantwortet und bedankt hat er sich nicht.

Außenminister Frank-Walter Steinmeier, der in diesem Buch im November 2010 von SPD, Grünen und Linkspartei zum Kanzler gewählt wird, gab sich in einem anderen Hintergrundgespräch nicht unwissend. Im Gegenteil: Er gab sogar vor, zu wissen, was der Autor denkt. Sein Befund: Das "Drehbuch" sei wider mein besseres Wissen verfasst. Das freilich kommt einem bekannt vor. Als ich im Sommer 2007 in einer Kolumne schrieb, nach der hessischen Landtagswahl im Januar 2008 werde die SPD mit den Grünen und der Partei "Die Linke" nach der Macht greifen, verwahrte sich die hessische SPD-Spitzenkandidatin Andrea Ypsilanti vehement gegen eine solche Unterstellung. Der weitere Verlauf der Geschichte ist bekannt.

SPD-Vize-Chefin Andrea Nahles nähert sich der Sache mit Humor. Weil sie in "meinem" rot-rot-grünen Kabinett als Arbeitsministerin vorgesehen ist, wirft sie mir "schwere Fehler" vor: Nie und nimmer werde sie "meinen lieben Freund Olaf (Scholz)" aus diesem Amt drängen. Aber was dann? "Fraktionsvorsitzende", sagt sie - und lacht ihr typisches Lachen.

Die Grünen haben klargemacht, dass sie nach der Bundestagswahl nie und nimmer mit der CDU koalieren wollen. Aber die Tür zur Linkspartei haben sie nicht zugeschlagen. Ihr Spitzenkandidat Jürgen Trittin gibt mir einerseits recht, dass eine bürgerliche Mehrheit "eben doch nicht sicher" sei. Aber die Volksrepublik tauge "angesichts des großkoalitionären Einstiegs in die Verstaatlichung" nicht mehr als Schreckgespenst. Trittins Fazit: "Die Giftpfeile des 'Bild'-Kolumnisten verfehlen ihr Ziel."

Die FDP wiederum kämpft, wie der Parteitag gezeigt hat, ganz gezielt gegen die liberale Schreckensvision von einer rot-rot-grünen Republik. Kein Wunder also, dass ihr stellvertretender Partei- und Fraktionsvorsitzender Rainer Brüderle behauptet, "wer die Volksrepublik verhindern will, muss für eine starke FDP kämpfen". Obwohl der Rheinland-Pfälzer sich über manche Passage in dem Buch amüsiert hat, nimmt er die Vision von der rot-rot-grünen Volksrepublik ernst: "Das Buch ist keine Komödie."

Was nicht überrascht: Die Politiker der Linkspartei gehen mit der Vorstellung, die SPD werde ihr irgendwann in der nächsten Legislaturperiode die Hand reichen, ganz locker um. Ihr Fraktionschef Gregor Gysi hat nach eigenen Angaben das Buch mit großem Vergnügen gelesen - trotz mancher sachlicher Einwände. Doch das Amt des Innenministers will er bei Rot-Rot-Grün keineswegs antreten, "lieber Fraktionsvorsitzender". Der Bundesgeschäftsführer von "Die Linke", Dietmar Bartsch, ist Rot-Rot-Grün aber nicht genug. "Ich setze auf Rot-Rot", sendet er per SMS, was wohl aber auf 2013 gemünzt ist.


Aus: Welt am Sonntag vom 17.05.2008


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