03.10.2007

Erfrischende Begegnung

Unter dem Titel „Diplomat wollte ich nie werden“ erscheint in diesen Tagen ein Band mit Gesprächen, die der Journalist Hugo Müller-Vogg mit Hartmut Mehdorn, dem Vorstandsvorsitzenden der Deutschen Bahn, geführt hat. Müller-Vogg, Jahrgang 1947, war von 1988 bis 2001 Mitherausgeber der „Frankfurter Allgemeinen Zeitung“ und arbeitet seither als freier Publizist. In den letzten Jahren erschienen von ihm Biographien und Interviewbände unter anderem über Angela Merkel, Horst Köhler und den niedersächsischen Ministerpräsidenten Christian Wulff.


Welchen Eindruck von der Person Hartmut Mehdorn haben Sie in den Interviews gewonnen, die Sie mit ihm geführt haben?

Es war sehr erfrischend. Im Gegensatz etwa zu vielen Politikern legt Mehdorn nicht jedes Wort auf die Goldwaage. Er ist ein Mann der klaren Worte – und einer, der sich mit seinem Job identifiziert. Er wirkt nicht wie einer, der nur seinen Vertrag erfüllen möchte, sondern verschreibt sich mit Haut und Haaren seinen Zielen. Und er hat die Bodenhaftung nicht verloren.

Woran haben Sie das merken können?

Mehdorn sucht in seinem Unternehmen oft den Kontakt zur Basis. So fährt er gern bei Fahrzeugführern mit und ist auch sonst gern draußen bei seinen Eisenbahnern. Dabei tritt er völlig unprätentiös auf. Als ich an einem Samstagvormittag im Berliner BahnTower mit ihm zum Interview verabredet war, hat er mich selbst im Foyer abgeholt und uns oben im 25. Stock zuerst einen Kaffee aus dem Automaten geholt. Er wollte nicht, dass seine Sekretärin eigens für diesen Termin ins Büro kommt. Anderswo lassen sich Chefs stets rote Teppiche ausrollen. Mehdorn braucht das offenkundig nicht.

Sind Sie auch dem Privatmann Mehdorn nahe gekommen?

Über seine Familie berichtet er nur wenig. Aber wir waren beim Fußball, haben zusammen gegessen und haben während der Interviews auch manchmal das Aufnahmegerät abgeschaltet. Da habe ich ihn auch privat etwas besser kennengelernt.

Welches Spiel haben Sie denn zusammen gesehen?

Hertha BSC gegen Bayern München. Mehdorn ist Fußballfan und macht auch keinen Hehl daraus. Er fühlt sich beim Fußball mit Boulette und Bier wohler als bei gesellschaftlichen Schickimicki-Events.

Und als Wahlberliner ist Mehdorn natürlich Hertha-Fan ...

Nicht nur – er hat noch eine zweite Liebe. Aus seiner Zeit bei Airbus stammt seine Begeisterung für Werder Bremen.

Wie gehen Sie vor, wenn Sie einen Interviewband konzipieren?

Zunächst lese ich über die Person alles, was mir in die Hände kommt. Dann spreche ich mit Leuten, die sie kennen. Dann entwerfe ich einen Fragen-Katalog, den ich nach jedem Gespräch ergänze. Durch alles zieht sich wie ein roter Faden wie Frage, was bewegt diesen Menschen, was treibt ihn an, was sind seine Grundsätze und Motive? Mit Herrn Mehdorn habe ich sechs Gespräche von jeweils etwa zwei Stunden geführt. Ich habe offen gefragt, Mehdorn offen geantwortet, und so kamen wir gut miteinander aus ...

Sie haben bereits mehrere Interviewbände dieser Art vorgelegt. Was interessiert Sie besonders an den Mächtigen im Land?

Mich interessiert, wie sie mit der Macht umgehen, die sie haben. Da ist ein Unternehmenschef viel freier als ein Politiker, der von seiner Partei, Koalitionspartnern und Wählern abhängig ist. Hartmut Mehdorn hat als Bahnchef einen etwas eingeschränkteren Aktionsradius als andere Manager. Dazu äußert er sich auch klar in meinem Buch. So missfällt es ihm oft sehr, wenn etwa Abgeordnete im Wahlkampf leichtfertig einen besseren Bahnanschluss oder einen neuen Bahnhof versprechen.

Quelle: mobil - Das Magazin der Deutschen Bahn, Nr. 10/2007. Die Fragen stellte Johannes Wendland.


Das Interviewbuch „Diplomat wollte ich nie werden – Hartmut Mehdorn im Gespräch mit Hugo Müller-Vogg“ erscheint am 8. Oktober im Hoffmann und Campe Verlag, Hamburg (224 Seiten, 17,95 Euro).


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