04.09.2024

Hohle Phrasen nach dem Asylgipfel

Man könnte meinen, vorgestern wären zum ersten Mal Flüchtlinge in großer Zahl nach Deutschland gekommen. Deshalb müsse die Politik ganz schnell nach Lösungen suchen.

Die Ampel-Parteien erwecken jedenfalls den Eindruck, als hätten sie erst jetzt entdeckt, dass es da ein Problem gibt. Da bricht plötzlich Hektik aus. Da wird schnell ein Sicherheitspaket auf den Tisch gelegt. Da nimmt die Regierung plötzlich Gespräche mit der Opposition auf.

Konkret tut sich freilich nicht viel. Was von Regierungsseite nach dem Treffen der Ampel mit der CDU/CSU-Opposition verbreitet wurde, waren die üblichen Worthülsen, mit denen Politiker Nicht-Ergebnisse zu kaschieren versuchen: konzentrierte, offene und konstruktive Beratungen. Ob die Akteure eigentlich noch spüren, wie hohl das klingt?

FDP-Chef Christian Lindner hat es in diesen Tagen auf den Punkt gebracht: Die Leute haben in der Asylpolitik „die Schnauze voll“. Sie spüren, der Staat hat die Kontrolle darüber verloren, wer zu uns kommt und wer hier bleibt - und zwar auf Kosten der Steuerzahler.

Diese Rechnung lässt nur einen Schluss zu: mehr Zurückweisungen

Wenn auf jede Abschiebung Dutzende neue Asylbewerber kommen, muss man nicht Mathematik studiert haben, um das Ergebnis ausrechnen zu können. Dann stiegt die Zahl der Neuankömmlinge, und steigt und steigt.

Ob wir demnächst Messerlängen messen oder nicht, ob wir ausreisepflichtigen, aber ausreiseunwilligen Zugewanderten nichts mehr zahlen oder nicht, ob kurz vor wichtigen Wahlen ein paar Afghanen abgeschoben werden oder nicht: Das sind alles Nebenaspekte.

Die Handlungsfähigkeit des Staates muss sich an anderer Stelle erweisen: An der rigorosen Beschränkung der Zuwanderung jenseits von uns angeworbener Fachkräfte. Im Klartext: durch Zurückweisungen an den Grenzen. Solange das an den EU-Außengrenzen nicht funktioniert, dann muss eben an den deutschen geschehen.

Die Koalition kann sich hier einfach nicht einigen, weil insbesondere viele Grüne unverändert ihrem Traum von der durch Zuwanderung „bereicherten“ Multikulti-Gesellschaft anhängen. Gepaart mit der nicht unsympathischen, aber naiven Vorstellung, Deutschland solle und müsse der bevorzugte “sichere Hafen“ für alle Verfolgten und durch Krieg Gefährdeten aus aller Welt bleiben.

Die Ampel sollte sich an den Vorschlägen des Landkreistags orientieren

Der Landkreistag, der überparteiliche Zusammenschluss aller 294 Landkreise, hat ausgesprochen, was SPD und Grüne noch immer nicht wahrhaben wollen: Die Aufnahme- und Integrationsmöglichkeiten der Kommunen sind erschöpft. Es geht einfach nicht mehr!

Die Forderungen der Landräte sind unmissverständlich: mehr Abschiebungen, zeitweise Aussetzung der Familienzusammenführungen, Zurückweisung der „Dublin-Flüchtlinge“ an den Grenzen. Und wenn alles nichts hilft, dann eben ein befristeter „nationaler Aufnahmestopp“.

Wenn die Regierungsparteien sich nächste Woche abermals mit der CDU/CSU treffen, brauchen sie nur die Beschlüsse des Landkreistages auf die Tagesordnung zu setzen - und genau das beschließen. Das ersparte Scholz, Habeck und Co. zudem Vorwürfe aus den eigenen Reihen, sie hätten der CDU/CSU nachgegeben.

Der Frust über die Willkommenskultur stärkt die Radikalen

Die Willkommenskultur der Ära Merkel, damals von der mitregierenden SPD ebenso begeistert mitgetragen wie von der oppositionellen Grünen, ist gescheitert. Die Bürger reagieren ihren Frust über den anscheinend handlungsunfähigen Staat ab, indem sie die radikalen Ränder stärken.

Ob die als Fortschrittskoalition gestartete, inzwischen völlig zerstrittene Ampel dabei parteipolitisch Schaden nimmt oder nicht, ist zweitrangig. Es geht inzwischen um viel mehr: um das Vertrauen der Bevölkerung in einen handlungsfähigen Staat. Politiker, die das nicht erkennen, sollten sich einen anderen Job suchen.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 4. September 2024)


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