01.09.2024

Wagenknecht ist die eigentliche Siegerin der Wahl

And the winner is…? Das „Bündnis Sahra Wagenknecht (BSW)! Denn so etwas hat es noch nie gegeben. Gerade mal neun Monate nach ihrer Gründung zieht die Abspaltung der Linkspartei in Sachsen und Thüringen mit deutlich zweistelligen Ergebnissen in die Landtage ein.

Das BSW ist ein Phänomen. Diese Partei mit 70 Mitgliedern in Sachsen und 50 in Thüringen ist in einem Maße auf die einstige Galionsfigur der Linken zugeschnitten, wie das noch bei keiner demokratischen Partei jemals der Fall war. Eine Ein-Frau-Partei verändert die politische Landschaft fundamental.

Wagenknechts BSW unterscheidet sich von allen anderen Parteien

Wagenknecht ist so erfolgreich, weil sie mit ihrem politischen Angebot sich von allen anderen Parteien unterscheidet -wirtschafts- und sozialpolitisch ganz links, außenpolitisch näher bei Moskau als bei Washington, gesellschaftspolitisch konservativ und bei der Zuwanderung auf dem Kurs „Grenzen dicht machen“.

Man kann das so interpretieren: Das BSW sei nahe bei den Menschen. Ebenso richtig ist aber, dass Wagenknecht und ihre Truppe die gängigen Vorurteile – ebenso wie die AfD - bestens bedienen.

Wer der Meinung ist, die Ukraine gehe uns nichts an, für den ist die BSW die richtige Wahl. Wer der Meinung ist, man müsse nur die „Reichen“ ordentlich schröpfen und schon würden die Staatskassen überfließen, liegt beim BSW ebenfalls richtig.

Wer Flüchtlinge und andere Zuwanderer generell für ein Übel hält, darf sich vom BSW vollauf verstanden fühlen. Wer schließlich die „Lifestyle-Linken“, das woke „Gedöns“ und das Gendern für den Kern vieler Fehlentwicklungen hält, ist hier gleichfalls gut aufgehoben.

Indirekte Schützenhilfe von Illner, Maischberger & Co.

Dem BSW ist es deutlich besser als der CDU/CSU-Opposition gelungen, den Frust über die rot-grün-gelbe „Ampelei“ in Berlin auf ihre Mühlen zu lenken. Das fiel ihr schon deshalb leicht, weil sie so gut wie nichts Konkretes sagt, was sie ändern würde. Dem BSW reichte es, die Fehler der anderen anzuprangern – ihren Wählern offenbar auch.

Zusätzlich geholfen hat Wagenknecht das Wohlwollen, das sie bei vielen Medien, vor allem in den öffentlich-rechtlichen Sendern genießt. Ob Illner oder Maischberger oder Lanz: Wagenknecht wurde behandelt, als hänge das Schicksal Deutschlands nicht zuletzt von ihr ab. Ohne diese indirekte Schützenhilfe hätte das BSW nicht so schnell aufsteigen können.

Nein, Wagenknecht hat die AfD eben nicht geschrumpft

Die Schnittmengen zwischen dem teils rechts- und teils linksradikalen BSW und der rechtsextremistischen AfD sind groß, sehr groß. Das erklärt, dass Wagenknecht – anders als von vielen erhofft – die AfD eben nicht geschrumpft hat. Warum sollen Wähler von der AfD in größerer Zahl zum BSW wechseln, wenn die Unterschiede nicht allzu groß sind?

Was Wagenknecht eindeutig gelungen ist: Sie hat ihrer ehemaligen Partei, der Linken, einen weiteren schweren Schlag versetzt. Ihr Mann, Oskar Lafontaine, hatte einst versucht, die SPD zu zerstören. Das ist ihm nicht gelungen. Seine Frau, der das Zerstörerische ebenfalls liegt, ist da bei der Linken erfolgreicher.

Mit dem BSW gibt es neben der AfD eine zweite Partei, die wie ein Staubsauger die Stimmen aller aufnimmt, die es „denen da oben“ zeigen wollen. Es ist ja kein Zufall, dass Wagenknecht eine Brandmauer gegenüber der AfD ablehnt. Anträgen der Rechtsextremisten zuzustimmen ist für die einstige Anführerin der „Kommunistischen Plattform“ kein Problem.

Ungeachtet großer Übereinstimmungen wird das BSW nicht mit der AfD koalieren. Das würden Wagenknechts überwiegend linke Mitstreiter nicht mitmachen. Doch kann das BSW in Sachsen wie in Thüringen zum Mehrheitsbeschaffer werden – gegebenenfalls in einem Bündnis mit CDU und SPD.

Wagenknecht wird tun, was sie kann, um die CDU in größte Schwierigkeiten zu stürzen

Die SPD hätte damit kein Problem. Die Sozialdemokarten waren schon immer bereit, mit der Linkspartei zu koalieren, wenn es nur so zum Regieren reichte. Warum also nicht mit der Ex-Linken Wagenknecht? Für die CDU hingegen wird es schwierig. Sie müsste ihren Wählern, vor allem denen im Westen, erklären, warum sie an der Brandmauer zur Linken festhält, aber ausgerechnet Wagenknecht als lupenreine Demokratin behandelt. Höcke gemeinsam mit Wagenknecht verhindern? Das lässt sich bürgerlichen Wählern kaum erklären.

Wagenknecht kann und wird die Situation genießen. Ihrem Ziel, ihre einstigen Genossen von der Linkspartei zur Bedeutungslosigkeit zu verurteilen, ist sie einen großen Schritt nähergekommen. Jetzt wird sie tun, was sie kann, um die CDU in größte Schwierigkeiten zu stürzen. Wagenknechts politische Karriere ist eine Abfolge von zerstörerischen Kämpfen gegen Freund und Feind. Die Wähler im Osten haben sie für weitere Schlachten dieser Art reichlich munitioniert.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 1. September 2024)


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