30.08.2024

Und wieder demonstriert Scholz vor allem eines: überbordendes Eigenlob

In der Politik gilt der Satz, wer nicht von sich selbst begeistert ist, der kann auch andere nicht begeistern. So gesehen müsste Olaf Scholz (SPD) von den Bürgern nur Bestnoten bekommen. Denn in einem ist Olaf Scholz unschlagbar: In seinem Glauben an die eigene Größe, in seiner Begeisterung über sich selbst.

Das stellte er kürzlich in einem Interview mit SAT.1 unter Beweis. Da beklagte er, dass die Wähler wegen des „Pulverdampfs“ auf dem Schlachtfeld der Ampel-Koalition nicht erkennen könnten, was während seiner Kanzlerschaft „real passiert“.

Diese Selbstlob-Melodie stimmt Scholz jetzt im Interview mit dem „Spiegel“ ebenfalls an. Mitunter gerate aus dem Blick, klagte er, „wie viel der Regierung gelungen ist“.

Die Wirtschaft dümpelt vor sich hin

Wie sehr Scholz von sich begeistert ist, zeigte sich in diesem Satz: „Wenn jemand 2021 eine lange Weltreise angetreten hätte, ohne Handyempfang und Mediennutzung, und jetzt nach Deutschland zurückkäme, wäre er von der Leistungsbilanz unserer Regierung wohl beeindruckt.“

Dann schauen wir doch mal auf die Scholzsche Leistungsbilanz. Die Wirtschaft dümpelt vor sich hin. 2021 war sie um 3,7 Prozent gewachsen, worin sich die kräftige Erholung nach der Corona-Rezession widerspiegelte, 2022 um 1,4 Prozent, 2023 um 0,3 Prozent.

Damit hinken wir den anderen europäischen Staaten deutlich hinterher. Von den versprochenen Wachstumsraten wie zu Zeiten des Wirtschaftswunders (8,2 Prozent zwischen 1950 und 1960, 4,4 Prozent zwischen 1960 und 1970) sind wir weiter entfernt als die SPD von einer absoluten Mehrheit in Thüringen.

Auch andere Fakten passen nicht zur angeblich glänzender Bilanz

Der Deutschland-Rückkehrer wäre von diesem Teil der von Scholz gerühmten „Leistungsbilanz“ wohl nicht so angetan. Das gilt gleichfalls für die Zunahme der Arbeitslosigkeit von 5,7 (2021) auf aktuell 6,1 Prozent oder den Anstieg der Inflation.

2022 erreichte die negative Differenz zwischen ausländischen Investitionen in Deutschland und den Investitionen deutscher Unternehmen im Ausland den bisher höchsten Stand. Das belegt die nachlassende Attraktivität des Wirtschaftsstandorts Deutschland sowie die zunehmende Verlagerung der Produktion deutscher Firmen in andere Länder.

Andere Indikatoren passen ebenso wenig zu der angeblich so glänzenden Bilanz. Die registrierten Straftaten erreichten 2023 mit knapp 6 Millionen Fällen ein neues Allzeithoch; 2021 waren es erst 5 Millionen. Fast verdoppelt hat sich die Gewaltkriminalität auf 314.000 Fälle (2023) gegenüber 164.000 (2021).

Scholz ist mit dem Erreichten höchst zufrieden

Der nach Meinung von Scholz angeblich beeindruckte Heimkehrer würde sich wohl fragen, warum die regierenden Parteien – allen voran Scholz‘ SPD – in der Wählergunst so dramatisch abgestürzt sind. Noch etwas würfe Schatten auf die ach so beeindruckende Bilanz: Noch nie haben so viele Deutsche mit der in großen Teilen rechtsextremistischen AfD sympathisiert und sie gewählt wie während der Kanzlerschaft von Scholz.

Nichts besorgt die Menschen mehr als die von der Bundesregierung nicht in den Griff zu bekommende Zuwanderung. 2021 wurden 217.000 Asylanträge gestellt, 2023 waren es 329.000 und in den ersten sieben Monaten dieses Jahres bereits 153.000. Auch darin würde der wieder im eigenen Land aufgetauchte Heimkehrer keinen Fortschritt erkennen können.

Scholz hingegen, das macht er im „Spiegel“-Interview deutlich, ist auch hier mit sich und dem Erreichten höchst zufrieden. „Vielleicht müssten Sie nur mal hinschauen, es ist viel geschehen,“ rät er den Interviewern, die danach fragten, was denn aus seiner Ankündigung von Abschiebungen „im großen Stil“ geworden sei.

Scholz sieht alles auf gutem Weg

Scholz kann durchaus darauf verweisen, dass „viel geschehen“ ist. Dass die Polizei beispielsweise eine ganze Flüchtlingsunterkunft durchsuchen darf, um einen Ausreisepflichtigen aufzuspüren. Oder dass der Abschiebegewahrsam von 10 Tagen auf 28 Tage verlängert worden ist.

Natürlich verweist der Kanzler auf die Steigerung der Abschiebungen im ersten Halbjahr um 20. Prozent. Auf die Vorhaltung, derzeit seinen mehr als 43.000 Menschen „unmittelbar ausreisepflichtig“, reagiert Scholz pikiert: „Na, wenn eine Steigerung um 20 Prozent für Sie so gut wie nichts ist, mag das ein Grund sein, warum manche Politikerinnen und Politiker sich entscheiden, lieber gar nichts zu tun“. Dieser Stil prägt das gesamte Interview. Scholz sieht alles auf gutem Weg. Nur wollen die Bürger – und viele Journalisten – halt nicht sehen, was er erreicht hat. Dabei erinnert Scholz zurecht daran, dass das innerdeutsche Zuständigkeitsgeflecht von Bund, Ländern und Kommunen alles nicht einfacher macht. Auch sind viele europäische Nachbarländer nicht bereit, sich an die Dublin-Regeln zu halten. Danach muss das Asylverfahren in dem Land durchgeführt werden, in dem der Flüchtling zuerst angekommen ist.

Eine hilflose Antwort

Weil es eben nicht den einen Knopf gibt, auf den man nur zu drücken brauchte, um die illegale Zuwanderung zu stoppen, müsste der Kanzler den Bürgern viel mehr erklären, warum sich die schon zu den GroKo-Zeiten unter Kanzlerin Angela Merkel (CDU) mit Unterstützung der SPD gemachten Fehler, nicht im Handumdrehen korrigieren lassen.

Geduldig zu erläutern, das passt nicht zu der selbstgefälligen Art des Kanzlers. Er lobt sich und seine Regierung und erwartet, dass das aus seiner Sicht wohl nur eingeschränkt mündige Volk ihn bewundert und bestaunt. Nur: Die Deutschen blicken besser durch, als es Politikern wie Scholz lieb ist.

Scholz wird in dem Interview darauf angesprochen, dass der islamistische Messer-Attentäter von Solingen längst hätte abgeschoben sein müssen: „Verstehen Sie, dass das da draußen niemand mehr versteht?

Scholz antwortet geradezu hilflos: „Ja, ich verstehe es ja auch nicht. Wir haben Regeln geschaffen, die seine Abschiebung erleichtert hätten.“ Dabei offenbart er – wieder einmal – sein mechanistisches, bürokratisches Verständnis von Politik: Wenn es Regeln gibt, dann ist ja alles geregelt.

Scholz will ausbleibenden Erfolg durch Eigenlob ausgleichen

Die Menschen treibt jedoch zunehmend um, warum bei uns so vieles nicht funktioniert, obwohl die Bürokratie hierzulande blüht wie kaum in einem anderen Land. Dank des statistischen Bundesamtes wissen wir genau, dass die Zahl der Legehennen 2023 leicht auf 43,95 Millionen angestiegen ist gegenüber 43,71 vor einem Jahr. Aber wer woher und warum zu uns kommt, das wissen wir allzu oft nicht.

Olaf Scholz und die Ampel sind nicht verantwortlich für alles, was bei uns schiefläuft. Doch die „Fortschrittskoalition“ aus SPD, Grünen und FDP hat weniger geliefert, als sie vollmundig angekündigt hatte. Wäre dem nicht so, kämen die Ampelparteien auf mehr als aktuell 32 Prozent – wohlgemerkt alle drei zusammen.

Es ist schon richtig, dass Politiker andere nur „mitnehmen“ können, wenn sie von sich selbst überzeugt sind. Das setzt freilich eine überzeugende Politik voraus. Scholz hingegen versucht, ausbleibende Erfolg durch überbordendes Eigenlob auszugleichen. Das kann ihm nicht gelingen, das wird ihm nicht gelingen.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 30. August 2024)


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