13.07.2024

Die Welt wartet auf den Habecks „Big Bang“

Darauf darf gewettet werden: Robert Habeck wird Kanzlerkandidat der Grünen. Ob eine zwischen 11 und 13 Prozent liegende Partei einen solchen überhaupt braucht, ist nicht die entscheidende Frage. Der Kanzlerkandidat ist die Nummer eins der Öko-Partei; darum geht es letztlich.

Obwohl dem Bundesminister für Wirtschaft und Klima die „Pole Position“ nicht mehr zu nehmen ist, täte er gut daran, sich eine spektakuläre Inszenierung einfallen zu lassen. Da reicht ein einfacher Beschluss der grünen Spitzengremien mit anschließender Pressekonferenz nicht.

Habeck muss bei seinem „Ja“ das „Nein“ Baerbocks deutlich übertreffen – in der Präsentation wie beim Inhalt. Schließlich hat die Außenministerin sich nicht Berlin, sondern Washington ausgesucht, um ihren Verzicht auf eine Kandidatur, die sie ohnehin nicht bekommen hätte, zu erklären. Ein paar Vorschläge für Habecks „Big Bang“

Auf die Idee, eine solche allenfalls drittrangige Entscheidung in Washington zu verkünden, muss man erst einmal kommen. Und das obendrein in dem US-Fernsehsender CNN, der seine Programme rund um den Erdball ausstrahlt.

Allerdings lag der Auftritt am Rande des Nato-Gipfels insofern nah, da Baerbock den Unterschied zwischen sich und ihrem innerparteilichen Konkurrenten Anfang 2021 so erklärt hat: „Vom Hause her kommt er – Hühner, Schweine, Kühe melken. Ich komme eher aus dem Völkerrecht.“ Dabei hat Baerbock an der London School of Economics einen Abschluss erreicht, der nicht einmal an einen deutschen Master-Abschluss heranreicht. Habeck hingegen ist „vom Hause her“ Doktor der Philosophie.

Habeck, aus Baerbocks Sichtweise ein Trottel vom Land, muss sich also etwas einfallen lassen. Hier ein paar Vorschläge für Habecks „Big Bang“.

1. Immer mit der Ruhe

Ja nicht schnell zugreifen, nur weil Annalena scheinbar großzügig verzichtet. Denn bei den Landtagswahlen in Thüringen, Sachsen und Brandenburg drohen den Grünen katastrophale Ergebnisse. Warum das Image des Kanzlerkandidaten damit belasten?

Außerdem: Falls Habeck ganz schnell „ja, ich will“ sagt, erweckt er den Eindruck, er könne es gar nicht abwarten. Da macht es sich besser, eine Weile philosophische Sprüche über die Bürde einer Kandidatur und die Schwere des künftigen Amtes zu verbreiten.

Ebenfalls hilfreich wären öffentliche Reflexionen darüber, dass man sich keineswegs nach dieser Kandidatur gedrängt habe. Aber wenn die Pflicht ruft, kann man nicht einfach weghören.

2. Einmal schnell um die Welt

Die eigene Kandidatur ebenfalls in einem CNN-Interview bekanntzugeben, geht natürlich nicht. Das würde ja nur belegen, dass der Robert vom Land mit der polyglotten Annalena nicht mithalten kann und sie deshalb imitieren muss.

Wie wär’s stattdessen mit einer Ankündigungstour rund um die Welt: Brüssel, New York, Tokio, Delhi und Peking? Das Motto: „Ihr Völker der Welt, schaut auf das neue grüne Deutschland“. Dazu jedes Mal eine Live-Übertragung auf „X“. Elon Musk ist da sicher gern behilflich.

Schließlich brauchen alle Länder, mit denen Deutschland wirtschaftlich, kulturell oder gar militärisch verbunden ist, Klarheit, wie es mit Deutschland unter einem Kanzler Habeck weitergeht. Da reicht ein Interview mit den „Kieler Nachrichten“ nicht.

3. Yes, I can.

Baerbock hat die Menschen rund um den Erdball dahingehend beruhigt, dass sie ihrer weltpolitische Verantwortung den Vorrang vor persönlichen Ambitionen gibt: Joe Biden, Emmanuel Macron und Keir Stamer sollen aufgeatmet haben.

Befürchtungen, als Kanzlerkandidat könnte er sich nicht mehr um das Mini-Wachstum der deutschen Wirtschaft kümmern und somit die Weltwirtschaft schädigen, muss Habeck folglich entschieden entgegentreten. Da helfen ein entschlossener Blick und eine klare Botschaft: „Ich bin zwei Habeck, ich kann Minister und Kandidat gleichzeitig“.

Damit könnte er sich zugleich in eine Reihe mit großen deutschen Kanzlern wie Konrad Adenauer oder Willy Brandt stellen. Die konnten auch beides verbinden: das Regieren und den Wahlkampf.

Let the Show begin

Nein, das ist keine gewöhnliche Kanzlerkandidatur. Hier darf ein Mann ran, obwohl das Frauenstatut der Grünen vorsieht, dass „Frauen bei Listenwahlen bzw. Wahlvorschlägen die ungeraden Plätze vorbehalten sind“ – also Platz 1.

Das ist in diesem Fall kein Problem, hier macht die Frau dem Mann freiwillig Platz. Außerdem will Baerbock weiterhin mit Habeck „gemeinsam durch dick und dünn“ gehen.Schließlich machten sie das „fast ewig“ schon so.

Apropos gemeinsam: Der Doktor der Philosoph weiß sicher, was Karl Jaspers über gemeinsames Agieren geschrieben hat: „Erst im gegenseitigen Anerkennen erwachsen wir beide als wir selbst. Nur zusammen können wir erreichen, was jeder erreichen will.“

Wenn Jaspers Recht hat, ist Habeck gewarnt. Ob seine Parteifreundin wirklich will, dass er erreicht, woran sie gescheitert ist? Da hält sich Habeck besser an das bei den Grünen verpönte Macho-Prinzip: Selbst ist der Mann.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 13. Juli 2024)


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