12.05.2024

Die Landräte wollen beim Bürgergeld das „Fordern“ verstärken – aus gutem Grund

Dies hat der Arbeitsmarktforscher Enzo Weber vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung bei der Bundesagentur für Arbeit ermittelt. Und der machte in einem Interview mit FOCUS keinen Hehl daraus, dass die Einführung des Bürgergelds „nicht grundsätzlich falsch“ gewesen sei.

Der Wissenschaftler ist gleichwohl der Meinung, dass beim Wechsel aus der Sozialleistung in den Arbeitsmarkt „noch mehr geht“. Er wird darin von denen unterstützt, die ganz nahe an den Hilfeempfängern dran sind – den Landräten.

Landkreistag fordert deutlich strengere Regeln für den Bezug von Bürgergeld

Der Landkreistag, der kommunale Spitzenverband der 294 Landkreise, hat jetzt deutlich strengere Regeln für den Bezug von Bürgergeld gefordert.

Die Kommunalpolitiker wollen vor allem dem Fordern gegenüber dem Fördern mehr Gewicht verleihen.

Dies ist nach Meinung des Landkreistags auch deshalb notwendig, um die Interessen der Steuerzahler zu berücksichtigen. Letztere müssen nämlich das Bürgergeld finanzieren. Sie ärgern sich zu Recht über Berichte über arbeitsunwillige „Stütze“-Empfänger.

Die Vorschläge des Landkreistages gehen in dieselbe Richtung wie die vieler Ökonomen, der Arbeitgeber oder der CDU/CSU-Opposition. So sollen die Sanktionen für Leistungsempfänger, die sich einer Mitwirkung bei der Suche nach einem Job verweigern, verschärft werden.

Die Vertreter der Landkreise sind ebenfalls dagegen, Bürgergeldempfängern im ersten Jahr die Kosten für ihre Wohnung zu erstatten, ganz unabhängig von Größe und Miethöhe. Auch soll das sogenannte Schonvermögen eines Antragstellers von 40.000 Euro auf 15.000 Euro reduziert werden.

Druck auf Leistungsempfänger soll verstärkt werden

Das Schonvermögen ist die Summe, die ein Bürgergeldempfänger auf dem Konto haben darf und nicht antasten muss, wenn er staatliche Unterstützung beantragt. Bei einer Familie mit zwei Kindern beläuft es sich aktuell auf 85.000 Euro, bei drei Kindern auf 100.000 Euro.

Die Stoßrichtung der Landräte ist klar: Der Druck auf Leistungsempfänger, sich um einen Job zu bemühen, soll verstärkt werden. Dabei geht es keineswegs um „Totalverweigerer“, die jeden Kontakt mit dem Jobcenter ablehnen – und jeden Kontakt zur Arbeitswelt obendrein.

Es geht auch um diejenigen, die es sich in der Kombination aus Teilzeit-Job plus Bürgergeld ganz gut eingerichtet haben. Ist nämlich das Arbeitseinkommen niedriger als das Bürgergeld, wird es vom Amt entsprechend „aufgestockt“.

Dass beim „Upgrade“ von Hartz IV zum Bürgergeld einiges schiefgelaufen ist, leugnen nicht einmal mehr die Sozialpolitiker von SPD und Grünen. Großzügigere Leistungen und geringere Sanktionen haben nicht dazu geführt, dass Menschen ohne Arbeit sich verstärkt um Jobs bemühen.

Viele Arbeitgeber klagen über fehlende Mitarbeiter. Sie führen das nicht zuletzt auf den verringerten Abstand zwischen Bürgergeld und dem Einkommen aus einem Niedriglohn-Job zurück.

Selbst Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) musste erkennen, dass der Verzicht auf harte Sanktionen ein Fehler war. Inzwischen können die Jobcenter „Totalverweigerern“ das Bürgergeld für zwei Monate komplett streichen.

Sich um Regeln herumzumogeln ist in allen Gesellschaftsschichten gang und gäbe

Wenn Menschen „Stütze“ einem Job vorziehen, hat das weniger mit einer speziellen Moral zu tun als mit der menschlichen Natur. Sich um Regeln herumzumogeln oder staatliche Leistungen einfach „mitzunehmen“, ist in allen Gesellschaftsschichten gang und gäbe.

Das tun nicht nur Bürgergeldempfänger, die sich mit allen denkbaren Tricks gegen eine reguläre Arbeit wehren. Das tun genauso Besserverdienende, die keine Skrupel haben, das Finanzamt hinters Licht zu führen.

Den Staat betrügen alle Schwarzarbeiter ebenso wie alle Schwarzarbeitgeber. Denn für „cash in de Täsch“ kann nur arbeiten, wer einen entsprechenden Arbeitgeber findet.

Es ist keine Gesellschaft vorstellbar, in der sich alle strikt an Recht und Gesetz halten. Das wäre zu schön, um wahr zu sein. Gleichwohl hat der Staat die verdammte Pflicht, Regelverstöße so zu ahnden, dass dies auch eine abschreckende Wirkung hat. Für das Bürgergeld heißt das: Fördern und Fordern müssen wieder ins Gleichgewicht gebracht werden. Nicht zuletzt mit Blick auf die Finanziers des Bürgergelds – die Steuerzahler.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 12. Mai 2024)


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