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Presse
05.10.2016 | Berliner ZeitungBosbach und die querstehende Kuh - VON TOBIAS PETER
Die Frage ist ein Treffer. Er habe soeben ausführlich die große Unabhängigkeit des Abgeordneten Wolfgang Bosbach gelobt, sagt der Publizist Hugo Müller-Vogg zum früheren bayerischen Ministerpräsidenten Edmund Stoiber. Ob er das denn auch so sehen würde, wenn Bosbach nicht Mitglied der CDU wäre, sondern der CSU?
Bosbach lacht. Stoiber sagt, es habe in der CSU immer offene Diskussionen gegeben. "Und die Toleranz ist riesengroß", fügt er hinzu. Anders könne man eine solch große Volkspartei ja auch überhaupt nicht führen, sagt Stoiber - und erntet dafür ein anerkennendes Nicken des CDU-Politikers Bosbach.
"Endspurt - Wie Politik tatsächlich ist und wie sie sein sollte", heißt das Interview-Buch, für das Bosbach sich von Müller-Vogg auf 270 Seiten hat interviewen lassen: über sein Leben, seine politische Arbeit, die CDU, Euro-Politik, Flüchtlingskrise und vieles mehr. Damit die Buchvorstellung in Berlin nicht nur die gedruckte Gesprächssituation wiederholt, haben Bosbach und Müller-Vogg noch Stoiber als Diskussionspartner dazu gebeten.
Doch zunächst gibt es eine Laudatio Stoibers für Bosbach. Also für den Mann, der im Bundestag gegen die Euro-Rettungspolitik von Kanzlerin Angela Merkel (CDU) stimmte und immer wieder kritische Worte für ihre Flüchtlingspolitik fand. Der vor Kurzem ankündigte, 2017 nicht noch einmal für den Bundestag zu kandidieren - aus gesundheitlichen Gründen, aber auch, weil Bosbach nach eigenen Worten nicht immer "die Kuh, die quer im Stall steht", sein will.
Stoibers Lob für Bosbach ist ehrlich - und gleichzeitig vergiftet gegen Merkel gerichtet. Denn Stoiber gilt als einer derjenigen, die CSU-Chef Horst Seehofer vehement zum harten Konfrontationskurs gegen Merkels Flüchtlingspolitik geraten haben. Wenn Stoiber Bosbachs "Nähe zu den Menschen" würdigt, seine Fähigkeit, im Bierzelt auch die hinteren Reihen zu erreichen, dann will er damit aktuell auch sagen: Angela Merkel kann das nicht.
Der CDU-Politiker aus Bergisch Gladbach selbst sagt: "In der Politik sind die Entscheidungen nicht alternativlos." Vielmehr gelte es, die bessere Alternative zu suchen. Er wisse, jetzt werde wieder geschrieben, er habe damit Merkel kritisiert, sagt Bosbach - und schlägt die Augen kurz nieder, als habe er genau das nicht beabsichtigt. Aber Bosbach weiß genau, was er tut.
Bosbach hat es auch selbst nicht immer einfach gehabt mit der Kanzlerin. Er wäre gern Minister geworden, antwortet er auf eine Frage. Er habe Angela Merkel nach der Wahl 2005 gesagt, dass er gern Innenminister würde oder Fraktionschef. Er sei dann überrascht gewesen, als er keines der beiden Ämter erhielt. Nach der anschließenden Aussprache mit Merkel habe er gewusst: "Du wirst nichts mehr." Damit habe er sich dann aber bald abgefunden.
Womit sich beide offenbar nicht abfinden wollen, das ist, wie die Kanzlerin die CDU in der Flüchtlingspolitik positioniert hat. Eine Trennung von CDU und CSU werde es nicht geben, sagt Stoiber. Aber ob es einen gemeinsamen Wahlkampf gebe, das hänge noch von den Inhalten ab. Bosbach sagt: "Kein Land der Welt hat eine völlig unbegrenzte Aufnahme- und Integrationskraft." Darüber, wo die Grenze liege, müsse man reden dürfen.
Bosbach ist mehrfach gefragt worden, ob er sich vorstellen könne, zur AfD zu wechseln. Er hat immer gesagt, seine politische Heimat bleibe die CDU. "Solltest du mit einem politischen Fremdgehen doch einmal liebäugeln, bekommst du von mir einen Aufnahmeantrag für den Verein der Freunde der CSU", sagt Stoiber. So weit sind sie in der Union: Wenn einer aus der CDU die CSU mag, geht er schon fremd.
(Quelle: Berliner Zeitung vom 05.10.2016, ebenfalls veröffentlicht in Kölner Stadtanzeiger und Mitteldeutsche Zeitung.)
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