28.09.2024

Die AfD hat sich selbst entlarvt - doch sie bleibt gefährlich

Doch hatte das Gaze auch sein Gutes. Die Öffentlichkeit erfuhr auf diese Weise, dass die rechtsextremistische Partei erst vom thüringischen Verfassungsgericht gezwungen werden musste, sich an demokratische Regeln zu halten.

Das taten die Verfassungsrichter recht eindeutig und einstimmig. Sie entschieden auf Antrag der CDU-Fraktion, dass das Parlament das Recht hat, vor der Wahl seines Präsidiums die Geschäftsordnung zu ändern. Immerhin bequemte sich der Alterspräsident am Samstag, den Gerichtsspruch zu akzeptieren und nicht weiter autoritär zu agieren.

Die Truppe des thüringischen AfD-Vorsitzenden Björn Höcke, den man laut Gerichtsentscheid einen Faschisten nennen darf, hatte am Donnerstag demonstriert, wes Geistes Kind sie ist. Ein demokratischer Geist samt dem damit verbundenen Respekt von parlamentarischen Regeln und Verfassungsvorschriften weht jedenfalls nicht durch ihre Reihen.

Alterspräsident ist kein Demokrat

Die AfD hat sich entlarvt. Ein Alterspräsident, der – angefeuert von den eigenen Leuten – frei gewählte Abgeordnete daran hindert, Anträge zu stellen, und keine Abstimmungen zulässt, ist zweifellos kein Demokrat. Nicht auszudenken, wenn die Höcke- Partei in einem Parlament über die absolute Mehrheit verfügte. Da wäre die Opposition faktisch ausgeschaltet.

Der Eklat von Erfurt hätte sich freilich verhindern lassen. Linke, Grüne und SPD hatten noch vor den Landtagswahlen die Geschäftsordnung ändern wollen. Das Ziel: Bei der Wahl des Landtagspräsidenten sollten bereits im ersten Wahlgang mehrere Bewerber zugelassen werden, nicht nur der Kandidat, der von der stärksten Fraktion vorgeschlagen wird.

Damals hatte die CDU nicht mitgemacht, in der nicht sehr realistischen Annahme, sie selbst könnte die stärkste Fraktion stellen. Damit war das Vorhaben gescheitert, die Obstruktionsmöglichkeiten im Vorhinein der AfD einzuschränken. Denn Rot-Rot-Grün hatte bekanntlich keine eigene Mehrheit.

Die CDU hatte etwas nachzuholen

Jetzt wollte die CDU zusammen mit SPD, BSW und Linken nachholen, was damals nicht zustande kam. Und bot so der AfD die Bühne für ihre Machtspiele. Dabei war absehbar, dass die AfD auf der parlamentarischen Praxis bestehen würde, als stärkste Fraktion den Parlamentspräsidenten zu stellen. Allerdings ist diese Praxis nicht durch die Geschäftsordnung oder gar ein Gesetz abgesichert. Die stärkste Fraktion darf einen Vorschlag machen; gewählt werden muss der Vorgeschlagene aber nicht. Die CDU hätte zusammen mit den anderen Parteien links von der AfD es auch bei der bisherigen Praxis belassen können, in den ersten beiden Wahlgängen nur einen Bewerber oder eine Bewerberin der AfD als der stärksten Fraktion zuzulassen – und sie bei der Wahl scheitern zu lassen. Zumal die AfD mit der wegen Betrugs vorbestraften Wiebke Muhsal eine Kandidatin aufbot, die man sich nicht als oberste politische Repräsentantin des Freistaates vorstellen möchte.

AfD hat Verfassungsschutz bestätigt

Der Landtag in Erfurt hat letztlich erledigt, was in der Regel nur eine Formsache ist: Er hat sich konstituiert und ein Präsidium bestellt. Der CDU-Politiker Thaddäus König wurden mit den Stimmen von CDU, BSW, Linken und SPD zum Präsidenten gewählt.

BSW, Linke und SPD stellen künftig je einen Vizepräsidenten beziehungsweise eine Vizepräsidentin. Die AfD-Politikerin Muhsal fiel gleich zwei Mal durch: gegen König und als Vizepräsidentin. Das Zusammenspiel zwischen den anderen vier Fraktionen funktionierte reibungslos.

Die AfD hat demonstriert, was ihr der Verfassungsschutz schon seit längerem vorhält: dass sie extremistisch, nicht demokratisch ist. Dank eines funktionierenden Rechtsstaats liefen ihre Manöver letztlich ins Leere.

Die Gefahr, die von Höcke, Weidel, Chrupalla & Co. ausgeht, besteht aber weiterhin. Ein Verfassungsgericht, in dem auch AfD-nahe Richter sitzen, würde möglicherweise ebenso undemokratisch handeln wie die Partei, die sie dorthin entsendet hat.

Das lässt sich am obersten amerikanischen Gericht, dem Supreme Court, studieren. Seit dort von Donald Trump bestellte Richter die Mehrheit haben, gilt dort der Grundsatz, „im Zweifel im Sinne Trumps“. Die Deutschen sollten sich nicht in falscher Sicherheit wiegen: Keine Geschäftsordnung und kein Gericht können die AfD auf Dauer schwächen. Das können nur mehrheitlich demokratisch gesinnte Wähler – und zwar mit dem Stimmzettel.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 28. September 2024)


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