09.09.2024

K-Frage: Söder möchte gebeten werden

Politiker rechtfertigen manche Äußerung mit dem Hinweis, sie seien gefragt worden und hätten deshalb Stellung nehmen müssen. Den CSU-Vorsitzenden Markus Söder hat am vergangenen Montag niemand gefragt, ob er als Kanzlerkandidat zur Verfügung stehe. Er hat dennoch laut und deutlich „ja“ gesagt. Denn anders ist seine Äußerung bei seinem Bierzeltauftritt auf dem „Gillamoos“ im bayerischen Abensberg nicht zu interpretieren: „Ich würde mich nicht drücken, Verantwortung für unser Land zu übernehmen.“

Nicht drücken und sich danach drängen, ist allerdings zweierlei. Doch der Bayer drängt, und zwar mit Macht. Natürlich hätte er schon längst den CDU-Vorsitzenden Friedrich Merz zum Kanzlerkandidaten ausrufen können – direkt oder indirekt. Doch Söder ist eben Söder. Er liebt es, über die Bande zu spielen, genießt es geradezu, dass die K-Frage der Union – und damit er – große Aufmerksamkeit finden. Deshalb hat er kurz nach Gillamos im ZDF nachgelegt: „Wir haben vereinbart, dass die beiden Parteivorsitzenden einen Vorschlag machen, dabei bleibt es. Ich habe nur erklärt, dass einer von beiden infrage kommt. Das wäre möglicherweise, könnte auch ich sein, aber eben auch Friedrich Merz, der es natürlich genauso kann". Immerhin: Söder traut Merz Kandidatur und Kanzlerschaft zu – anders als einst Armin Laschet.

Seit Gillamos war noch keine Woche vergangen, da machte der bayerische Ministerpräsident im „Spiegel“ abermals deutlich, dass er das Rennen keineswegs aufgegeben hat oder aufzugeben gedenkt. Seine Botschaft: Er und Merz würden einen gemeinsamen Vorschlag machen. „Die CDU als größere Partei hat in der Regel den Vortritt. Aber wenn sie mich bittet, dann drücke ich mich nicht vor der Verantwortung“. Der dezente Hinweis „in der Regel“ impliziert natürlich, dass es keine Regel ohne Ausnahme gibt.

Brandmauer gegen die Grünen

Kein Zweifel, Söder möchte gebeten werden. Das Problem ist nur: Kein einziger CDU-Politiker von Gewicht und schon gar kein Ministerpräsident lassen nur andeutungsweise erkennen, dass sie mit dem Kandidaten Söder in die Bundestagswahl 2025 ziehen möchten. Das ist der entscheidende Unterschied zu 2021. Damals fürchteten viele CDU-Abgeordnete, mit dem Kanzlerkandidaten Armin Laschet würde die CDU/CSU schwach abschneiden und sie ihr Mandat verlieren. Was auch so kam.

Aus Sicht des CSU-Vorsitzenden macht es durchaus Sinn, die Kanzlerkandidatur der CDU nicht auf dem Silbertablett zu servieren. Schließlich ist man in München stets zu einem Deal bereit. Das können bestimmte Forderungen im Wahlprogramm sein, an denen der CSU besonders liegt. Oder auch Absprachen über die Verteilung von Ämtern nach einem Wahlsieg. Doch so „billig“ will es ein Söder nicht machen. Er hat ja 2021 bewiesen, dass er gegebenenfalls bereit ist, den Wahlkampf des CDU-Kandidaten zu konterkarieren. Ganz nach dem Motto: „Das habt ihr davon, dass ihr mich nicht gebeten habt.“

Söder hält sich nicht nur penetrant im Spiel. Als habe die Union nicht schon genug Brandmauer-Probleme, baut er eine neue auf: gegen die Grünen. Sein Diktum: „Mit der CSU wird es Schwarz-Grün nicht geben. (…) Die Grünen sind das fundamentale Gegenteil der Union, etwa in der Gesellschaftspolitik. Und sie benachteiligen im Bund die Interessen von Bayern systematisch. Schwarz-Grün ist ein No-Go.“

Söder ist zu Tricksereien jeder Art fähig

Zweifellos gibt es auch in der CDU erhebliche Vorbehalte gegenüber Habeck, Baerbock & Co. Friedrich Merz hat freilich inzwischen eingesehen, dass ein kategorisches Nein der CDU/CSU zu Schwarz-Grün dem möglichen Koalitionspartner SPD mehr Macht bescherte, als ihm nach dem Wahlergebnis möglicherweise zukommen könnte. Die CDU konnte in Hessen und Berlin für sich nur deshalb so vorteilhafte Koalitionsverträge mit der SPD aushandeln, weil sie Schwarz-Grün nicht kategorisch ausgeschlossen hatte. Nach der Methode Söder hätte die SPD bei möglichen Koalitionsverhandlungen im Bund alle Trümpfe in der Hand.

Die Lösung der K-Frage könnte also abermals sehr schwierig werden. Es ist durchaus vorstellbar, dass Söder „dem lieben Fredrich“ demnächst gönnerhaft die Kanzlerkandidatur anbietet, aber nur unter der Bedingung, dass dieser Schwarz-Grün definitiv ausschließt. Darauf könnte Merz sich nicht einlassen. Zum einen, weil er damit seine Verhandlungsposition nach der Bundestagswahl schwächen würde. Und zum anderen, weil niemand wissen kann, ob eine bei der Wahl möglicherweise auf 14 oder 15 Prozent geschrumpfte SPD nicht die Oppositionsbänke einer Juniorpartnerschaft in der Regierung vorziehen würde.

Söder versichert zwar pausenlos, ein solches Hauen und Stechen wie bei seinem Kampf gegen Laschet werde es dieses Mal nicht geben. Auch säuselt er von einer Einigung mit Merz „unabhängig von Eitelkeiten und Egos“. Und gibt sich ganz zuversichtlich: „Das wird uns gelingen, mit Friedrich Merz und mir, das wird super klappen, so oder so." Doch zugleich knüpft er das „super Gelingen“ offensichtlich an die Voraussetzung, dass Merz Schwarz-Grün abschwört. Alle in der CDU, die da glauben, die K-Frage wäre längst zu Gunsten von Merz entschieden, könnten sich also gewaltig täuschen. Denn Söder hält sich nicht nur für den aussichtsreicheren Kandidaten. Er ist obendrein zu Tricksereien und Störmanövern jeder Art fähig und im Zweifelsfall auch willig. Horst Seehofer hatte dafür einen speziellen Ausdruck: „Schmutzeleien“.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 9. September 2024)


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