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„phoenix nachgefragt“: Ukraine und Sanktionen gegen Russland
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20.08.2024
Die zentrale Botschaft der Ampel: Wir haben fertig!
So eine Koalition wie die Ampel hat es im Bund noch nie gegeben: zwei linke Parteien plus eine liberale. Drei Parteien mit ganz unterschiedlichen Schwerpunkten. Der SPD geht es in erster Linie um einen weiteren Ausbau des Sozialstaates, bei den Grünen gilt „Klima, Klima über alles“, für die FDP sind Marktwirtschaft und solide Finanzen von zentraler Bedeutung. Der gemeinsame Nenner ist also ganz klein, viel kleiner, als er bei Schwarz-Rot, Rot-Grün oder Schwarz-Gelb war.
Der FDP-Vorsitzende sagte ja nichts Falsches, als er vor der Bundestagswahl 2021 von einer möglichen Ampel nichts wissen wollte. Wenn man die Wahlprogramme von SPD, Grünen und FDP vergleiche, so Christian Lindner damals, sei die Freigabe von Cannabis der einzige Punkt, bei dem alle drei übereinstimmten.
Gleichwohl kam es zu dieser Koalition. Schließlich konnten Lindner und die FDP sich nicht abermals verweigern, wie sie das bei der möglichen Bildung einer Jamaika-Koalition 2017 aus Angst vor der eigenen Courage getan hatten. So gleicht diese Koalition einem Puzzle, dessen Einzelteile aus drei unterschiedlichen Bildern stammen. Die kann man irgendwie zusammenfügen oder zusammenpressen. Aber so richtig passt es an kaum einer Stelle.
Dass nichts – oder nichts mehr – zusammenpasst, hat der Ko-Vorsitzende der Grünen, Omid Nouripour, in der ARD mit erschreckender Klarheit gesagt. Er bezeichnete das rot-grün-gelbe Dreierbündnis als eine Übergangslösung. Diese sei „als Konstellation, als Übergang für die Zeit nach Merkel notwendig“ gewesen. Nouripour: „Übergangsregierung, hätte ich jetzt fast gesagt“.
In dem Maße, wie der äußere Zwang nachließ, nahmen die inneren Konflikte zu
Dass zusammen regiert, was nicht zusammenpasst, hatten SPD, Grüne und FDP in der Selfie-Euphorie der Anfangszeit zu übertünchen gewusst. Endlich einmal ohne CDU/CSU Politik gestalten zu können, verschaffte allen drei Partnern ein hohes Maß an Glücksgefühl. Dazu kam der Anspruch, zu etwas ganz Neuem, ganz Großen aufzubrechen. Man feierte sich selbst als „Fortschrittskoalition“, als „Bündnis für Freiheit, Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit“. Nicht unbescheiden beschrieben die Ampelparteien es als ihre Aufgabe, die „nötigen Neuerungen politisch anzuschieben und Orientierung zu geben. Damit wollen wir eine neue Dynamik auslösen, die in die gesamte Gesellschaft hineinwirkt“.
Die Ampel hatte keinen leichten Start: Die Pandemie war noch nicht vollständig abgeklungen, ihre wirtschaftlichen Folgen noch deutlich zu spüren. Dazu kam der brutale Überfall Russlands auf die Ukraine mit allen Konsequenzen – militärisch, finanziell und nicht zuletzt energiepolitisch. Dieser Druck zwang die unterschiedlichen Partner zu einer in mancherlei Hinsicht pragmatischen Politik. Doch gewannen die Ideologen schnell wieder die Oberhand, kaum dass die weitgehende Abkopplung der Energieversorgung von russischen Quellen gelungen war. In dem Maße, wie der äußere Zwang nachließ, nahmen die inneren Konflikte zu.
Wenn Nouripour nun von einer „Übergangsregierung spricht, heißt das, dass die Grünen sich nach der Wahl auf eine andere Konstellation einstellen. Die FDP hat ohnehin schon seit längerem klar gemacht, dass sie 2025 nicht für Rot-Grün-Gelb in den Wahlkampf ziehen wird. Bei der SPD müsste selbst Olaf Scholz inzwischen erkannt haben, dass das von ihm großspurig ausgerufene „sozialdemokratische Jahrzehnt“ schon nach sechs Monaten zu Ende war. Auf die Bundestagswahl, bei der es trotz des zweitschlechtesten SPD-Ergebnisses aller Zeiten für das Kanzleramt gereicht hatte, folgte im März ein strahlender Wahlsieg an der Saar, dem kleinsten Flächenland. Von da an verlor die SPD bei allen Landtagswahlen an Stimmen.
Eine Fortsetzung der Ampel nach 2025 – politische Wunder einmal ausgeschlossen – erscheint ausgeschlossen. Von daher ist der Begriff „Übergangsregierung“ gar nicht falsch. Wenn aber alle Beteiligten bei diesem „Dreier“ davon ausgehen, dass ihre Tage gezählt sind, ist es vorbei mit einem halbwegs friedlichen Miteinander. Da denkt jeder an die Zeit danach.
Der Haushalt ist eben nicht ein Gesetz wie viele andere
Es ist aufschlussreich, dass Nouripour bereits ankündigte, seine Partei müsse die „Unterscheidbarkeiten“ deutlicher machen. Soll heißen: Wir rücken noch stärker als bisher von den Koalitionspartnern ab. Das tun alle drei schon fast täglich. Die gängigste Methode: Jede Partei stellt Forderungen auf, von denen sie weiß, dass mindestens ein Koalitionspartner sich nie und nimmer darauf einlassen kann und wird.
So bietet die Ampel das wenig erfreuliche Bild völlig zerrütteter Beziehungen unter den Beteiligten. Da kann auch kein Therapeut noch etwas retten. Wenn eine Regierung zahllose Anläufe braucht, um wenigstens einen verfassungskonformen Haushaltsentwurf vorzulegen, dann ist das schon ein schlimmes Zeichen. Wenn dann immer noch eine Finanzierungslücke von 12 Milliarden Euro klafft, lautet das unmissverständliche Signal: „Wir haben fertig“.
Denn der Haushalt ist eben nicht ein Gesetz wie viele andere. Im Etat wird festgelegt, wieviel Geld für welche politischen Ziele zur Verfügung steht. Das setzt allerdings voraus, dass die Regierenden sich über Prioritäten einig sind oder wenigstens vernünftige Kompromisse aushandeln können. Zu beidem sind die Ampel-Fraktionen kaum noch in der Lage.
Gerhard Schröder bewies 2005 den Mut, der dem Zauderer Scholz fehlt
Was sie noch zusammenhält, ist der nachvollziehbare Wunsch, sich jetzt nicht dem Votum der Wähler stellen zu müssen. Und wohl die Hoffnung, bis zum Wahltag am 28. September 2025 werde durch Wunderhand die Konjunktur anspringen, die Unternehmer den Standort Deutschland besser einschätzen als zurzeit, und die Bürger in den Genuss des „grünen Wirtschafswunders“ oder der vom Kanzler prophezeiten Wachstumsraten wie in den 1950er- und 1960er-Jahren kommen – und sich per Stimmzettel dafür zu bedanken.
Auch Politiker dürfen träumen. Nur sollten sie unrealistische Hoffnungen nicht zur Grundlage ihres Handelns machen. Gerhard Schröder bewies 2005 den Mut, der dem Zauderer Scholz fehlt: Er ließ die Wähler entscheiden, ob sie weiterhin von ihm regiert werden wollten oder nicht. Das ist der SPD bekanntlich nicht gut bekommen, dem Land aber schon.
Dagegen ist es politisch unverantwortlich, den „Übergang“ aus parteipolitischem Kalkül und wegen des Wunschs vieler Ampel-Abgeordneter, ihr Mandat wenigstens noch ein Jahr behalten zu dürfen, hinauszuzögern. Das erinnert fatal an den Spruch des österreichischen Kabarettisten Helmut Qualtinger: „Übergangslösungen sind Untergangslösungen“.
(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 20. August 2024)
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