30.05.2024

Beim Rentenpaket feiert die SPD einen Sieg über sich selbst

Das vom Kabinett beschlossene „Rentenpaket II“ ist ein Erfolg der Sozialdemokraten. Sie haben durchgesetzt, dass das Rentenniveau bis 2039 nicht unter 48 Prozent sinken kann.

Vereinfacht ausgedrückt: Wer 45 Jahre gearbeitet und ein durchschnittliches Einkommen bezogen hat, bekommt im Ruhestand mindestens 48 Prozent davon als Rente.

Was Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und seine Parteigenossen als Sieg der „Leistungsgerechtigkeit“ feiern, ist genau genommen ein Sieg der SPD über sich selbst – und über das Bemühen um eine solide Rentenpolitik.

Künftig werden die Renten im Gleichschritt mit den Löhnen steigen. Dabei spielt es plötzlich keine Rolle mehr, dass immer weniger Beitragszahler immer mehr Ruheständler finanzieren müssen.

Diese demografische Schieflage hatte die SPD zu rot-grünen Zeiten unter Kanzler Gerhard Schröder noch anders gesehen. Damals wollte sie „die gesetzliche Rentenversicherung als verlässliche Säule der Alterssicherung für die Menschen bewahren“, wie es Arbeitsministerin Ulla Schmidt (SPD) formulierte.

Deshalb wurde 2003 als Mittel zur Stabilisierung der „Nachhaltigkeitsfaktor“ beschlossen. Er stellt sicher, dass sich Veränderungen im Verhältnis der Beitragszahler zu den Rentenbeziehern bei den jährlichen Rentenerhöhungen niederschlagen.

Heißt im Klartext: Weil es weniger Beitragszahler gibt, bleibt der jährliche Anstieg der Rente seitdem unter dem der Löhne. Das wiederum sorgt für ein Absinken des Rentenniveaus.

Vorrang hat das finanzielle Wohl der Rentner – koste es, was es wolle

Finanzielle Solidität hat für die SPD jedoch nicht mehr Priorität. Vorrang hat das finanzielle Wohl der Rentner – koste es, was es wolle.

Die derzeitigen 22 Millionen Rentner sind die wahren Gewinner. Ihre künftigen Rentenerhöhungen fallen höher aus, als es nach den geltenden Regelungen der Fall wäre. Mit Blick auf kommende Wahlen ist das kein unwichtiger Nebeneffekt.

Für die Rentner von morgen ist das Ganze eine zweischneidige Sache. Schon bald werden sie höhere Beiträge zahlen müssen. Zudem wird der Staat noch mehr Steuergelder für die Rente bereitstellen müssen. Da werden die künftigen Rentner als Steuerzahler zusätzlich zur Kasse gebeten.

Es ist schon eine seltsame Gemengelage. Zu rot-grünen Zeiten versuchte die Bundesregierung unpopuläre, aber notwendige Rentenreformen durchzusetzen. Doch von ihrer damaligen Politik wollen Sozialdemokraten und Grüne heute nichts mehr wissen. Ja, sie tun gerade so, als hätten sie damals gar nicht am Kabinettstisch gesessen.

Dieses Wendemanöver kommt jetzt ausgerechnet unter Beteiligung der Freien Demokraten zustande. Also jener Partei, die mehr Wert auf solide Staats- und Rentenfinanzen legt als andere Parteien – jedenfalls auf dem Papier.

Die FDP gibt Hilfestellung beim Salto rückwärts

Die Sozialdemokraten können so großzügig sein, weil die FDP ihr Herzensanliegen ebenfalls ins „Rentenpaket II“ packen durfte – das Generationenkapital.

Die Idee: Der Staat leiht sich Geld und legt es in Aktien an. Mit den Gewinnen daraus lassen sich die Rentenkasse ein wenig aufpäppeln und die unumgänglichen Beitragserhöhungen etwas dämpfen.

So soll von 2035 an ein Staatsfonds mit einem Volumen von 200 Milliarden Euro jährlich Erträge von 10 Milliarden Euro erwirtschaften. Die reichen aber bei weitem nicht aus, um die Kosten der neuen, angeblich „leistungsgerechten“ Rentenformel auszugleichen. Auch wenn der Bundestag noch das eine oder andere an den Rentenbeschlüssen des Kabinetts ändern dürfte: Die SPD hat sich für einen rentenpolitischen Salto rückwärts entschieden – und die FDP gibt dabei Hilfestellung.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 29. Mai 2024)


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