26.02.2024

Wie uns der Kanzler bei den Taurus-Raketen gleich doppelt zum Narren hält

Olaf Scholz auf etwas festzulegen, komme keineswegs dem Versuch gleich, einen Pudding an die Wand zu nageln. Denn Scholz gleiche mit seinen nebulösen Äußerungen eher Puddingpulver.

Diese spöttische Bemerkung eines FDP-Politikers wird gerade in der Auseinandersetzung um den Marschflugkörper „Taurus“ fast täglich bestätigt. Der Kanzler spricht viel, sagt aber nicht, ob er für oder gegen die Lieferung des Marschflugkörpers an die Ukraine ist.

Scholz findet Fragen zum Taurus „etwas sonderbar“

Oder doch? Bei einer Chefredakteurskonferenz der „Deutschen Presse-Agentur (dpa)“ hatte der Kanzler am Montag plötzlich eine klare Antwort parat: „Ich habe erklärt, warum das nicht infrage kommt – und dabei bleibt es.“

Fragt sich nur, wann er das wem erklärt haben will. Erst kürzlich wurde Scholz auf der Münchener Sicherheitskonferenz gefragt, warum die Lieferung der Marschflugkörper Taurus nicht Bestandteil des jüngsten Abkommens mit Kiew sei. Eine naheliegende Frage.

Scholz hingen fand die Frage „etwas sonderbar“. Denn in der deutschen Unterstützung für die Ukraine sei „alles enthalten“, was das Land zu seiner Verteidigung brauche. Was nachweislich falsch war: Nichts benötigt Kiew – neben Munition – so dringend wie diese Marschflugkörper.

Auch der Verteidigungsminister bleibt nebulös

Selbst Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) gab sich letzte Woche im Bundestag ahnungslos. Dort hatten die Ampel-Parteien die „Lieferung von zusätzlich erforderlichen weitreichenden Waffensystemen und Munition“ gefordert.

Weitreichende Waffensysteme? Das würde auf „Taurus“-Marschflugkörper mit einer Reichweite von 500 Kilometern zutreffen.

Gefragt, ob damit „Taurus“ gemeint sei, antwortete der sonst so auskunftsfreudige Pistorius: „Das kann ich nicht beantworten“. „Ich hab’ den Antrag gelesen, die Antragsteller werden sich ihren Teil dabei gedacht haben.“

Wenn Scholz tatsächlich irgendwo erklärt haben sollte, „warum das nicht infrage kommt“, scheint das außerhalb seiner engsten Umgebung niemand mitbekommen zu haben. Die bisherigen öffentlichen Scholz-Äußerungen waren allesamt ebenso gedrechselt wie inhaltsarm.

In Interviews redet sich Scholz raus

Auch gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“ hatte Scholz sich kurz vor der Sicherheitskonferenz nicht festlegen wollen. „Deutschland liefert die Waffen, auf die es jetzt ankommt", redete er sich heraus.

Weitere Beispiele für die scholz‘sche Kunst, die Bürger im Unklaren zu lassen, gibt es in Hülle und Fülle. So kündigte der Kanzler im ZDF-Sommerinterview an, man werde „jede einzelne Entscheidung immer sehr sorgfältig überprüfen, was geht, was Sinn macht, was unser Beitrag sein kann."

Und dann fügte Scholz hinzu: "Wir werden es uns weiter schwer machen". Was aber keine Aussage zu der Frage war, ob geliefert wird oder nicht.

Es tritt sicher zu, dass es sich SPD, Grüne und FDP schwer machen, wenn es um Waffen für Kiew geht. Schließlich sind Grüne und FDP bereit, viel mehr zu tun, während Scholz auf den linken Flügel der Sozialdemokraten Rücksicht nehmen muss.

Zweifel an der Begründung von Scholz

Was Scholz tatsächlich bereits erklärt haben will, öffentlich aber nicht getan hat, hat er nun auf der dpa-Konferenz nachgeliefert. Angeblich müssten deutsche Soldaten die „Taurus“-Systeme auf ukrainischem Boden programmieren. Darüber, dass deutsche Soldaten nicht vor Ort in den Krieg eingreifen sollen, herrscht jedoch in Berlin Einigkeit – auch zwischen Regierung und Opposition.

Scholz begründete sein Nein zur „Taurus“-Lieferungen mit warnenden Worten: „Ich wundere mich, dass es einige gar nicht bewegt, dass sie nicht einmal darüber nachdenken, ob es gewissermaßen zu einer Kriegsbeteiligung kommen kann durch das, was wir tun.“

Die Begründung von Scholz wird allerdings von Verteidigungsexperten aus den Reihen der Grünen und der FDP angezweifelt. Die FDP-Politikerin Marie-Agnes Strack-Zimmermann schrieb dazu auf „X“, „deutsche Soldaten werden für Taurus NICHT auf ukrainischem Boden benötigt.“ Ebenso äußerte sich der grüne Abgeordnete Robin Wagener.

Ob Scholz von seiner Begründung selbst nicht so recht überzeugt ist? Jedenfalls ließ er sich, wie so oft, doch eine Hintertür offen. „Taurus-Lieferungen“ stünden „nicht als Handlungsoption als nächstes auf der Tagesordnung.“ Aha, also dann erst weiter unten auf der Tagesordnung?

Verbale Verrenkungen des Kanzlers sind zunehmend peinlich

Scholz bleibt eben Scholz. Wir wissen jetzt zweierlei: Erstens steht die „Taurus“-Lieferung nicht „als nächstes“ auf der Tagesordnung. Zweitens ist die Begründung, man brauche dafür Bundeswehrsoldaten auf dem Schlachtfeld, mehr als zweifelhaft.

Unabhängig von den militärischen Implikationen von „Taurus“-Lieferungen“: Die verbalen Verrenkungen des Kanzlers sind zunehmend peinlich.

In seiner ersten Regierungserklärung hatte Scholz „Respekt, Anerkennung und Achtung“ als Leitlinien der Ampel angekündigt. Seine nebulösen und widersprüchlichen Aussagen lassen aber eines vermissen: Respekt vor den Bürgern. Und das nicht nur beim Thema „Taurus“.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 26. Februar 2024)


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