30.11.2023

Klima-Urteil ist für die Ampel eine peinliche Klatsche

Beim Boxen würde man vom dritten Niederschlag hintereinander sprechen. Erst verhinderte das Bundesverfassungsgericht, dass die Ampel mit ihrer Mehrheit das Heizungsgesetz im Eiltempo durchs Parlament peitscht.

Der nächste, viel schwerere Wirkungstreffer folgte vor einer Woche. Da stellten die Karlsruher Richter klipp und klar fest, dass die Tricksereien mit der Verwendung von Corona-Krediten für den ökologischen Umbau der Wirtschaft schlichtweg verfassungswidrig waren.

Noch haben sich SPD, Grüne und FDP von diesem Schlag nicht erholt. Keiner weiß, wie die Löcher im Haushalt 2024 geschlossen werden können. Da wurde die Ampel – juristisch gesehen – abermals zu Boden gestreckt.

Das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg hat die Bundesregierung nämlich verurteilt, Sofortprogramme für mehr Klimaschutz im Verkehr und bei Gebäuden aufzulegen.

Ausgerechnet die Ampel, die im Koalitionsvertrag versprochen hatte, „die Klimaschutzziele von Paris zu erreichen, hat für uns oberste Priorität“, bekommt nun eine Ohrfeige wegen ungenügender Leistung. Für Olaf Scholz (SPD), Robert Habeck (Grüne) und Christian Lindner (FDP) ist das Berliner Urteil nicht so schlimm wie das jüngste aus Karlsruhe. Die Regierung kann und wird nämlich in die Revision gehen. Das Bundesverwaltungsgericht wird als nächste Instanz entscheiden. Das hilft der rot-grün-gelben Regierung schon deshalb, weil sie – anders als bei der Haushaltsmisere – nicht zu schnellem Handeln gezwungen ist.

Gleichwohl ist das Ganze für die Regierung höchst blamabel. Scholz hatte sich im Wahlkampf als „Klimakanzler“ präsentiert, unter dem alles besser werde. Sein Vize Robert-Habeck nennt sich sogar „Bundesminister für Wirtschafts- und Klimaschutz“. Doch das Gericht hält ihnen vor, ihre eigenen Gesetze nicht ernst genug zu nehmen.

Im Kern geht es um das Klimaschutzgesetz, das für jeden Sektor jährliche Ziele zur Senkung der schädlichen Treibhausgase vorschreibt. Werden diese in einzelnen Sektoren verfehlt, muss dem Gesetz zufolge das jeweils zuständige Ministerium mit einem Sofortprogramm gegensteuern.

Weil Bauministerin Klara Geywitz (SPD) und Verkehrsminister Volker Wissing (FDP) in ihren Bereichen diese Ziele schon 2022 nicht einhalten konnten, hat die Ampel sich einen Ausweg ausgedacht.

Dieser sieht vor, dass nicht mehr jeder Sektor seine Jahresziele erreichen muss. Vielmehr muss die für das Land insgesamt vorgeschriebene Senkung der Treibhausgase erreicht werden. Ob einzelne Sektoren ihre Ziele erreichen oder nicht, ist dann nicht mehr so wichtig.

Das Gericht sieht das anders. Es verlangt von der Bundesregierung zusätzliche Maßnahmen, um die Klimaziele für die Jahre 2024 bis 2030 sicher zu erreichen. Da ist so, als ob der Lehrer bei einer schlecht ausgefallenen Klassenarbeit zusätzlichen Unterricht ansetzt.

Die Regierungsparteien stehen auch deshalb schlecht da, weil sie die angestrebten Änderungen im Gesetz vereinbart, aber noch nicht umgesetzt haben. Denn der Bundestag hat noch nicht beschlossen, was die Koalitionäre ausgekungelt haben, um Geywitz und Wissing das Leben zu erleichtern.

Wie sehr hatten SPD und Grüne noch im Wahlkampf 2021 darum gestritten, wer das Klima schneller rettet. „Am Klimaziel führt kein Weg vorbei“ plakatierten die Grünen.

Auf Großflächenplakaten der SPD wurde Scholz überlebensgroß als „Kanzler für Klimaschutz“ präsentiert. Umso peinlicher, wenn jetzt ein Gericht diese Klimaschützer zwingen will, mehr zu tun.

Kurz vor dem zweijährigen Jubiläum der Ampel – Kanzlerwahl war am 8. Dezember 2021 – steckt die Koalition wieder einmal in einer Krise. Die Opposition versucht, ihr das Leben schwer zu machen; die Gerichte tun es tatsächlich.

Vielleicht finden Scholz, Habeck & Co. ja Trost bei der Lebensweisheit des einstigen Mittelstürmers Jürgen Wegmann (Dortmund, Schalke, Bayern): „Erst hatten wir kein Glück, dann kam Pech dazu“.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 30. November 2023)


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