05.09.2023

Habeck und Faeser präsentieren sich als wirtschaftspolitische Amateure

Ludwig Erhard, der Vater des Wirtschaftswunders, war überzeugt: „Wirtschaft ist zu 50 Prozent Psychologie“. In der Tat: Wenn Unternehmer und Manager pessimistisch sind, wenn sie nicht an die Zukunft des Standorts glauben, dann wirkt sich das auf ihr Handeln aus, und zwar negativ.

Wenn 50 Prozent Psychologie sind, um bei Erhard zu bleiben, bestehen die anderen 50 Prozent aus Fakten. Schon im ersten Semester lernt jeder Ökonomiestudent, wie wichtig die Kosten sind. Das beste Produkt nutzt nichts, wenn zu hohe Herstellungskosten seinen Preis in solche Höhen treiben, dass es nicht mehr verkauft werden kann.

Habeck sieht Automobilindustrie „in der Pflicht“ - und versteht hier etwas grundsätzlich falsch

Wirtschaftsminister Robert Habeck von den Grünen ist bekanntlich kein Ökonom, sondern Literaturwissenschaftler und Philosoph. Das merkte man beispielweise, als er nicht so recht wusste, was eine Insolvenz ist. Auch seine aktuelle These, die Automobilindustrie wäre „in der Pflicht“, den Standort Deutschland wettbewerbsfähig zu halten, hat mit Wirtschaftspolitik nichts zu tun.

Die „Pflicht“ der Unternehmen besteht darin, wettbewerbsfähige Autos zu bauen. Nur wenn sie ihre Produkte im Inland und Ausland absetzen können, werden sie weiterhin hier produzieren, Arbeitsplätze erhalten oder neue schaffen. Für die Wettbewerbsfähigkeit des Standorts hat dagegen der Staat zu sorgen: durch eine gute Infrastruktur, mit einem exzellenten Bildungssystem, mit angemessenen Steuern und nicht zuletzt mit im internationalen Vergleich erträglichen Energiepreisen.

Es sind gerade die hohen Energiepreise, die – neben dem Mangel an Fachkräften – die deutschen Unternehmen zunehmend in Schwierigkeiten bringen. Die Präsidentin des Verbandes der Automobilindustrie, Hildegard Müller, befürchtet, ihre Branche werde wegen der dramatisch hohen Energiekosten nicht mehr mit der ausländischen Konkurrenz mithalten können.

Kein Vorstandsvorsitzender wird nur aus Anhänglichkeit an seine Heimat hier produzieren

Wenn der Wirtschaftsminister etwas für die Wirtschaft insgesamt und die Automobilindustrie im Besonderen tun will, dann sollte er in erster Linie die Energiepreise senken, sei es durch einen Industriestrompreis oder durch eine drastische Senkung der Steuern auf Energie und die Netzentgelte. Die Stilllegung der letzten Kernkraftwerke jedenfalls war für den Standort Deutschland Gift.

Natürlich sind die Unternehmen ebenfalls in der Pflicht, wenn es darum geht, Arbeitsplätze in Deutschland zu erhalten, ihre Mitarbeiter zu qualifizieren und anständig zu bezahlen. Aber kein Vorstandsvorsitzender wird nur aus Anhänglichkeit an seine Heimat hier produzieren, wenn es sich nicht mehr rechnet.

Das gilt besonders für börsennotierte Gesellschaften mit vielen Anteilseignern im Ausland. Denen ist es völlig gleichgültig, wo die Gewinne erwirtschaftet werden; Hauptsache, es gibt welche. Für Standortpatriotismus haben sie nicht das geringste Verständnis.

Faeser will Hessen zusätzlichen Feiertag spendieren - zur Wirtschaftsförderung

Schlimm genug, wenn ein Wirtschaftsminister das anders sieht. Da darf man sich nicht wundern, wenn die Innenministerin der Wirtschaft ebenfalls auf sonderbare Weise helfen will. Sie will den Deutschen einen zusätzlichen Feiertag spendieren – jedenfalls denen in Hessen.

Nancy Faeser (SPD), die bekanntlich hessische Ministerpräsidentin werden will, hat den Hessen bei einem Wahlsieg einen zusätzlichen Feiertag versprochen. Das soll der 1. Dezember sein, der hessische Verfassungstag.

Faeser, von Hause aus Juristin, verkauft dieses Wahlgeschenk als besondere Form der Wirtschaftsförderung. Denn auch in Hessen fehlen Fachkräfte. Die würden, so Faeser, eher nach Hessen kommen, wenn das Land bei der Zahl der gesetzlichen Feiertage mit Bayern und Baden-Württemberg mithalten könnte.

Auf die Idee, dass ein qualifizierter Arbeitnehmer seine Entscheidung zwischen München und Frankfurt davon abhängig macht, dass Bayern zwei Feiertage mehr hat, muss man erst einmal kommen. Im Zweifel sind die Arbeitsbedingungen, die Karrierechancen und die Vergütung wichtiger als ein freier Tag mehr oder weniger.

Ludwig Erhard wäre entsetzt

Völlig absurd wird Faesers Vorschlag, wenn man berücksichtigt, dass die Hessen insgesamt ihre Wirtschaftsleistung nicht steigern werden, wenn sie ausnahmslos einen Tag weniger arbeiten. Anderenfalls müsste man ja allen Bundesländern empfehlen, möglichst viele neue freie Tage einzuführen.

Ludwig Erhard wäre entsetzt, was für ein seltsames Verständnis sein derzeitiger Nachfolger von Wirtschaftspolitik hat. Beim Rückblick auf seine Zeit im Wirtschaftsministerium klagte Erhard einst: „Ich habe als Bundesminister 80 Prozent meiner Kraft dazu verwendet, gegen Unfug anzukämpfen.“ So einer aber fehlt bei den Grünen wie bei der SPD.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 5. September 2023)


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