22.03.2023

Habeck wird einen Rückzieher machen – damit der Ampel-Ofen nicht ausgeht.

So schön philosophisch-verschwurbelt kann nur Robert Habeck reden: „Was immer wir tun, hat Konsequenzen. Wir sind keine Engel. Aber wir können versuchen, die Konsequenzen ein bisschen weniger schlimm zu machen.“ So sprach der Wirtschafts- und Klimaminister von den Grünen, als er seine Gas-Bettel-Tour zu den Scheichs in Katar zu verteidigen suchte.

„Wir sind keine Engel. Aber wir können versuchen, die Konsequenzen ein bisschen weniger schlimm zu machen.“ Das könnte Habeck demnächst wiederholen, wenn er seine Pläne für den radikalen Umbau der Heizungssysteme unter deutschen Dächern korrigieren, ja teilweise zurücknehmen muss. Denn nicht nur die FDP läuft gegen das von Habeck im Hau-Ruck-Stil geplante Aus für neue Öl- und Gasheizungen Sturm. Das ist innerhalb der Ampel nichts Neues. Die grün-gelben Selfie-Lover von einst sind sich längst nicht mehr grün.

Habecks Heizungspläne werden zum Stresstest für die Ampel

Habeck muss noch mehr zu denken geben, dass SPD-Regierungschefs wie Stephan Weil (Niedersachsen), Malu Dreyer (Rheinland-Pfalz) oder Manuela Schwesig (Mecklenburg-Vorpommern) seine Pläne strikt ablehnen. Aus den Reihen der SPD-Bundestagsfraktion hagelt es ebenfalls Kritik. Dass CDU und CSU dies als Steilvorlage für die im Herbst anstehenden Landtagswahlen in Bayern und Hessen aufgreifen, versteht sich von selbst.

Habeck hat angesichts der Kritik aus den Reihen der Koalitionäre den Rückzug schon mal eingeleitet. „Beim Hochlauf, Handwerksleistungen, Produktionskapazitäten sind jede Form von Übergangsfristen, Härtefallregelungen, Kompromisse denkbar“, sagte der Grünen-Politiker am Dienstag „Welt TV“. Doch solche Kompromisse müssen sich erst einmal finden lassen.

Unabhängig von allen logistischen Schwierigkeiten hat Habeck einen ganz wichtigen Punkt völlig übersehen oder unterschätzt: Dass die Operation Wärmepumpe sehr, sehr teuer ist – und zwar für viele Hausbesitzer viel zu teuer. Was die Vermieter investieren müssen, werden sie logischerweise auf die Mieter umlegen. Da sorgt zusätzlich für sozialen Sprengstoff.

Die soziale Dimension dieses Plans hätte Scholz auf den Plan rufen müssen

Als Repräsentant einer Partei, unter deren Wählern sich mehr Besserverdienende befinden als in anderen politischen Gruppierungen, hat Habeck die sozialen Folgen seines Heizungs-Hammers halt viel zu leichtgenommen. Die in Aussicht gestellten Subventionen oder Steuervergünstigungen werden in vielen Fällen nicht helfen. Wer die 30.000 Euro für eine Wärmepumpe oder das Geld für eine Rund-um-Dämmung einfach nicht hat, dem nützte eine erhöhte Abschreibung oder ein finanzieller Zuschuss auch nichts.

Die soziale Dimension von Habecks Heizungsoffensive hätte eigentlich den Bundeskanzler auf den Plan rufen müssen. Hatten Olaf Scholz und die SPD im Wahlkampf nicht versprochen, sich vor allem um die sogenannten kleinen Leute kümmern zu wollen? Hatte der Kanzlerkandidat nicht ständig „Respekt“ gegenüber jedermann gefordert, nicht zuletzt gegenüber denen, die finanziell nicht so gut gestellt sind?

Der Kanzler schwebt schweigend über den Wolken

Scholz hat den Streit innerhalb der rot-grün-gelben Reihen jedoch ausufern lassen. Was bei Helmut Kohl als Politik des „Aussitzens“ kritisiert wurde, wiederholt Scholz in der Form des Abtauchens. Mögen seine Koalitionspartner FDP und Grüne sich noch so sehr bekriegen, mögen selbst die eigenen Genossen Habecks Pläne zerpflücken – Scholz schwebt schweigend über den Wolken.

Im Überschwang der Gefühle hatten die „Ampelianer“ beim Schmieden ihrer sogenannten Fortschrittskoalition noch von einem neuen Miteinander geschwärmt. Das las sich in der Präambel des Koalitionsvertrags so: „Wenn wir es schaffen, gemeinsam die Dinge voranzutreiben, kann das ein ermutigendes Signal in die Gesellschaft hinein sein: dass Zusammenhalt und Fortschritt auch bei unterschiedlichen Sichtweisen gelingen können.“

Mit dem Zusammenhalt ist das so eine Sache: schnell gefordert, schwer umzusetzen. Mit fortschreitender Regierungsdauer wird immer deutlicher, dass das Bündnis von zwei linken und einer bürgerlich-liberalen Partei halt nicht so einfach funktioniert, wie sich mancher das gewünscht oder erträumt hat. Im Regierungsalltag streiten sich die Damen und Herren der Ampel eher wie die Kesselflicker und lassen Erinnerungen an das Hauen und Stechen in der schwarz-gelben Koalition (2009 - 2013) wach werden. Immerhin ist die Wortwahl – „Als Wildsau aufgetreten“ (FDP über CSU) und „Gurkentruppe“ (CSU über FDP) – innerhalb der Ampel zivilisierter als damals.

Habeck, Paus, Baerbock, Lindner: Jeder zündelt auf seine Weise

Wild geht es in der Ampel dennoch zu. Man hat den Eindruck, vielen Regierungsmitgliedern gehe es vor allem um die eigene Profilierung. Habeck hat seine Heizungspläne offenbar genauso wenig innerhalb der Koalition abgesprochen wie Familienministerin Lisa Paus ihre 12 Milliarden teure Kindergrundsicherung oder Außenministerin Annalena Baerbock ihre außenpolitischen Ziele.

FDP-Chef Christian Lindner vergrätzt ebenfalls regelmäßig die Koalitionspartner, wenn er bei Rot-Grün nicht durchsetzbare Steuersenkungspläne auf den Tisch legt oder den Kanzler mit der Forderung überrascht, die von der GroKo geerbten Pläne für eine sündhaft teure „Verdoppelung“ des Kanzleramts auf Eis zu legen. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) schlägt gerne teure Sozialprojekte vor, von denen er weiß, dass die Freien Demokraten da nicht mitmachen. So zündelt jeder auf seine Weise.

Ehe der Koalitions-Ofen ganz aus ist, senkt Habeck lieber die Temperatur im Klimarettungs-Kessel

Ein Fußballcoach würde sich so eine Truppe zur Brust nehmen und alle einzeln zum Nahsitzen beim Teampsychologen verdonnern. Scholz scheint da eher darauf zu vertrauen, dass seine Koalition so oder so zum Durchhalten verdammt ist. Angesichts der aktuellen Umfragewerte kann keine der drei Parteien Interesse an Neuwahlen haben, die unweigerlich auf einen Bruch der Koalition folgen würden: Die SPD liegt weit hinter der CDU/CSU zurück, die Grünen kämpfen mit der AfD um Platz drei und die FDP müsste die Fünf-Prozent-Hürde fürchten.

Es spricht also alles dafür, dass Habeck einen Rückzieher machen wird. Ehe der Koalitions-Ofen ganz aus ist, senkt er lieber die Temperatur im Klimarettungs-Kessel. Denn Habeck weiß: „Was immer wir tun, hat Konsequenzen“ – auch ein schlechter, nicht durchdachter Gesetzesentwurf.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 21. März 2023)


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