03.08.2022

Friedrich Merz und die konservative „TheRepublic“: Doppelfehler des CDU-Chefs

Ob Merz persönlich alle Einladungen anschaut, die ihm ins Haus flattern, erscheint nicht wahrscheinlich. So dürfte sein Büro ihm den Vorschlag von „TheRepublic“ auf den Tisch gelegt haben, mit dem republikanischen US-Senator und Trump-Unterstützer Lindsey Graham über transatlantische Beziehungen zu diskutieren. Und Merz ließ zusagen.

Im Merz-Büro wurde freilich übersehen, wer an der Veranstaltung davor und danach noch so alles auftritt: unter anderem ein Vertreter der US-Waffenlobby und der Rechtsanwalt Joachim Steinhöfel. Der hatte als Anwalt den AfD-Bundesvorstand gegen den rechtsextremen AfD-Politiker Andreas Kalbitz in einem Parteiausschluss-Verfahren vetreten. Ebenso vertrat er den AfD-Sympathisanten und Kurzzeit-Vorsitzenden der „WerteUnion“, Max Otte, gegenüber der CDU, als diese Ottes Parteiausschluss betrieb.

Dies alles müsste Merz gewusst haben, als er zusagte. Doch kaum war seine Zusage bekannt, erntete er einen „Shitstorm“. Allgemeiner Tenor: Wie er es wagen könne, in einem solchen Umfeld aufzutreten. Der Grünen-Politiker Konstantin von Notz fragte auf Twitter mit politisch-korrekter Empörung: „Mein Gott, Friedrich Merz. Aber sonst haben Sie noch alle Latten am Zaun?“

Spät, aber nicht zu spät, bemerkte Merz, in welche Gesellschaft er sich da begeben hatte und sagte seine Teilnahme ab. Begründung: Die anderen Teilnehmer neben Graham stünden der AfD zu nahe. Auch da hatten Merz und seine Mannen offenbar nicht genau hingeschaut. Denn zu den Teilnehmern zählte auch der scharfzüngige und gerne mit politisch nicht korrekten Aussagen provozierende Publizist Hendrik Broder. Der ist im linksgrünen Milieu nicht gut gelitten, hat aber mit der AfD wirklich nichts im Sinn. Fazit: Erst sagte Merz bei der falschen Veranstaltung zu und dann mit einer teilweise falschen Begründung wieder ab.

Die Versuche, Merz deshalb zu einem Mitläufer der „Cancel culture“ zu machen, führen freilich in die Irre. In der Tat hat sich der CDU-Vorsitzende mehrfach gegen durchaus nicht erfolglose Bestrebungen von Linksgrüne gewandt, Personen mit angeblich falschen Meinungen nicht mehr zu Wort kommen zu lassen. Ob Merz bei „TheRepublic“ auftritt oder nicht, ist für die anderen angekündigten Redner aber ohne Belang. Sie können dennoch auftreten. Das unterscheidet diesen Fall von vielen anderen an Hochschulen oder bei öffentlichen Veranstaltungen. Mehr als einmal haben Grüne und Linke verhindert, dass Wissenschaftler oder Politiker zu Wort kommen konnten, die ihnen nicht nach dem Munde redeten.

Ebenfalls schwer zu verstehen ist der Vorwurf aus der linksgrünen Ecke, ein Gespräch mit Graham gehe gar nicht. Frei nach dem Motto: Mit Trump-Fans spricht man nicht. Nach dieser Logik dürfte kein deutscher Kanzler mit Trump sprechen, falls der 2024 abermals ins Weiße Haus einziehen sollte. Was für eine weltferne Vorstellung. Zumal noch kein Grüner und noch kein Linker – ob mit Parteibuch von SPD oder Linkspartei – jemals daran Anstoß genommen hätte, wenn deutsche Politiker mit Vertretern autoritärer oder totalitärer Regime sprachen und verhandelten. Wenn Realpolitik – aus gutem Gründen – Kontaktsperren nach ganz links ausschließt, muss das auch gegenüber National-Konservativen gelten.

Trotz der Merzschen Absage an „TheRepubic“ wird es nach Angaben des Merz-Sprechers zu einem Gespräch mit dem Senator bei dessen Berlin-Besuch Ende August kommen. Und das ist auch gut so. Nur fragt man sich unwillkürlich: Warum nicht gleich so, Friedrich Merz?

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 3. August 2022)


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