19.07.2022

Baerbock und Habeck als Kriegsverherrlicher? Schilys absurder Vorwurf!

Dabei fährt er schweres Geschütz auf: „In Deutschland hat sich ein Bellizismus ausgebreitet, der riskant ist.“ Diesen Bellizismus, diese Kriegsverherrlichung, verortet Schily in erster Linie bei der Öko-Partei, zu deren Gründern er vor mehr als 40 Jahren zählte: "Ausgerechnet bei den Grünen gibt es hier eine zu große Einseitigkeit.“ Da reibt man sich doch verwundert die Augen: Ausgerechnet Wirtschaftsminister Robert Habeck und Außenministerin Annalena Baerbock sollen Bellizisten sein, also Menschen, die den Krieg nicht verabscheuen, sondern in ihm sogar etwas Gutes sehen.

Schily unterstellt der Mehrheit „Kriegsverherrlichung“

Für Schily ist es also Kriegsverherrlichung, wenn man der von Russland überfallenen Ukraine auch mit Waffen beisteht. Ihn stört offenbar, dass die Mehrheit der Deutschen diese Unterstützung befürwortet. Ist dem Ex-Grünen, der 1990 zur SPD wechselte, eigentlich bewusst, dass er die führenden Grünen auf eine Stufe stellt mit braunen wie roten Nationalisten, für die der Krieg nichts anderes ist als die Fortsetzung der Politik mit anderen Mitteln? Dass er Baerbock und Habeck damit zu geistigen Urenkeln eines Ernst Jüngers oder des Generals und Hindenburg-Stellvertreters Erich Ludendorff macht, der den „totalen Krieg“ als „vollkommenste Willensanstrengung eines Volkes“ pries?

Es ist Schilys gutes Recht, die Ukraine-Politik der Bundesregierung zu kritisieren. Auch steht es ihm zu, wie Gerhard Schröder die Interessen der angegriffenen Ukraine mit denen des Aggressors Russland auf eine Stufe zu stellen. Ganz so, als hätten da zwei Nachbarländer Schwierigkeiten miteinander, und niemand könne sagen, wer eigentlich mehr Schuld trage. Mit der Wirklichkeit hat das freilich nichts zu tun.

Es ist einfach unanständig, Baerbock und Habeck in die Ecke kriegslüsterner Politiker zu stellen

Schily, der an diesem Mittwoch 90 Jahre alt wird, müsste sich noch daran erinnern können, wie schwer es den Grünen in der Regierung Schröder/Fischer fiel, im Kosovokrieg die ersten Kampfeinsätze der Bundeswehr zu beschließen. Ebenso müsste er wissen, wie sehr sich die Grünen noch im Sommer 2021 dagegen gesträubt hatten, der Ukraine Verteidigungswaffen zu liefern. Sie haben diese Position – ebenso wie Sozialdemokraten – unter dem Druck der Ereignisse geändert. Nicht aus Lust am krieg spielen, sondern um in der Ukraine einen Völkermord zu verhindern.

Ist es ein Zufall, dass gerade ehemalige Spitzenpolitiker durch besonders schrille Reden auf sich aufmerksam machen? Bei Schröder war und ist das gängige Praxis. Klaus von Dohnanyi hat ebenfalls mit seinem Verständnis für Putin für Schlagzeilen gesorgt. Jetzt reiht sich Schily in die Reihe der Alten ein, bei denen weder Altersweisheit noch Altersmilde zu erkennen sind.

Otto Schily hat schon in seiner aktiven Zeit gerne Klartext gesprochen. Es hat ihn nie gestört anzuecken, nicht bei den Grünen, nicht in der SPD und nicht innerhalb der rot-grünen Regierung. Aber es ist einfach unanständig, die Unterstützer der Ukraine allesamt in die Ecke kriegslüsterner Politiker zu stellen. Der Gebrauch von Totschlagargumenten schadet nicht nur dem politischen Dialog; er schadet vor allem denen, die sie gebrauchen.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 19. Juli 2022)


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