23.07.2021

Söder lässt programmatisch die Muskeln spielen

„Wenn die Verflachung der Politik beginnt, dann wird aus den bayrischen Bergen die Rettung kommen.“ Franz Josef Strauß hatte das schon 1970 Jahren postuliert. Markus Söder, Strauß-Fan und dessen fünfter Nachfolger an der Spitze der CSU, würde das fünf Jahrzehnte später sicherlich unterschreiben. So ist es konsequent, dass die Schwesterpartei der CDU mit einem eigenen „CSU-Programm“ als Ergänzung zum gemeinsamen „CDU/CSU-Regierungsprogramm“ in den Wahlkampf zieht – und teilweise deutlich andere Akzente setzt.

Wobei sich die Frage aufdrängt, ob Söder eher Deutschland oder eher seine Partei retten will. Schließlich ist die CSU weit von den einst als Zielmarke propagierten „50 Prozent plus X“ entfernt. Zudem muss sie befürchten, vor allem städtische Wahlkreise an die Grünen zu verlieren wie schon bei der Landtagswahl 2018. Obendrein drohen der CSU Stimmverluste an die in Bayern besonders starken Freien Wähler. Die Konsequenz: Die Bayer geben sich grüner als die CDU. Und versprechen fast allen mehr Geld, vor allem dem Mittelstand, den Familien und der Landwirtschaft.

Grün, grüner, CSU

Die CSU setzt beim Klimaschutz auf Anreize statt Verbote, und das noch deutlicher als die CDU. So soll eine dynamische Pendlerpauschale an den steigenden CO2-Preis gekoppelt werden, zum Nutzen der vielen Berufspendler in den ländlichen Regionen des Freistaats. Private Haushalte sollen 20 Prozent der Kosten (bis maximal 10.000 Euro) für energiesparende Haushaltsgeräte oder klimafreundliches Heizen von der Steuer absetzen können, klimabewusste Unternehmen von einer Klima-Abschreibung profitieren.

Das Herzensanliegen der CSU, die Ausweitung der Mütterrente, steht natürlich im Programm. Die Gleichstellung der Mütter (und Väter), deren Kinder vor 1992 geboren wurden, mit allen übrigen Eltern ist für die CSU sogar die Voraussetzung für den Eintritt in eine Regierungskoalition. Dahinter steckt – Kosten hin, Kosten her – auch ein wahltaktisches Kalkül: Nutznießer wären 10 Millionen Frauen. Laschet und die CDU haben die weitere Ausdehnung der Mütterente mit Blick auf die Kosten von gut vier Milliarden Euro im Jahr abgelehnt. Allerdings war die CDU 2017 ebenfalls dagegen gewesen, die Ausweitung der Mütterrente ins gemeinsame Programm aufzunehmen – um in den Koalitionsverhandlungen der CSU teilweise nachzugeben.

Söder nimmt die Finanzierung locker

Bekanntlich hält sich der Kanzlerkandidat der Union bei der Frage zurück, wann die im CDU/CSU-Programm geforderten Steuersenkungspläne verwirklicht werden können. Armin Laschet verweist da auf die angespannte Lage der Staatsfinanzen. Söder nimmt es mit der Finanzierung seiner Forderungen lockerer.

Zu den kostspieligen Zusatzangeboten der CSU zählen der Ausbau der in der Corona-Pandemie eingeführten Home-Office-Pauschale zu einer Pauschale für mobiles Arbeiten in Höhe von 1000 Euro, die Verdoppelung des Handwerkerbonus bei der Einkommenssteuer von 1200 auf 2400 Euro oder die Senkung der Mehrwertsteuer für regionale Lebensmittel. Teuer würde ebenso die angestrebte Verlängerung des Elterngelds auf bis zu 16 Monate oder die neue Möglichkeit, Kinderbetreuungskosten künftig bis zu 6000 Euro im Jahr abzusetzen.

Optimismus ist Trumpf

Wie schon im gemeinsamen Programm von CDU und CSU fehlen auch bei der CSU-Zugabe konkrete Hinweise, wie all die aufgelisteten Wohltaten finanziert werden sollen. Generalsekretär Markus Blume sprach von einem „Programm des Optimismus“. Ob er damit die Hoffnung auf ein hohes Wirtschaftswachstum samt üppig sprudelnder Steuereinnahmen gemeint hat?

In früheren Wahlkämpfen hatten die Bayern stets mit einem eigenen „Bayernplan“ ihren Anspruch untermauert, eine eigenständige Partei mit bundespolitischem Anspruch zu sein. Das sollte in diesem Jahr alles anders, im Verhältnis zur CDU harmonischer ablaufen. Nachdem Markus Söder jedoch nicht Kanzlerkandidat werden durfte, will er wenigstens programmatisch die Muskeln spielen lassen. Das „CSU-Programm. Gut für Bayern, Gut für Deutschland“ soll das CDU/CSU-Papier „Deutschland gemeinsam machen“ nicht nur etwas „anschärfen“, wie Blume das nennt. Es geht auch keineswegs um bayernspezifische Themen. Nein, die CSU will die CDU auf Trab bringen. Mit anderen Worten: Die christlich-demokratischen Nordlichter sollen noch etwas dazulernen.

Über allem der „Mia-san-mia“-Geist

Im CSU-Programm finden sich, anders im Bayernplan von 2017, keine allzu großen Widersprüche zum gemeinsamen Wahlprogramm. Keine der zusätzlichen Forderungen und Versprechungen aus Bayern sind prinzipiell unvereinbar mit Positionen der CDU. Mit einem entscheidenden Unterschied: Die CSU will noch grüner sein als die Merkel/Laschet-CDU und beim Geldausgeben noch großzügiger als die große Schwester.

Ob das bei der Wahl helfen wird? CDU und CSU sind bei den bisherigen Bundestagswahlen meistens mit gemeinsamen Programmen angetreten, oft ergänzt um ein CSU-Papier. Vor Europawahlen gab es sogar schon Wahlkämpfe mit separaten Programmen beider Parteien. Auf die Wahlergebnisse hatte das aber keinen messbaren Einfluss, entweder es lief gut oder schlecht – für CDU wie CSU. Aber die CSU wäre ohne „Mia san mia“-Auftritte eben nicht die Partei, die sie nun einmal ist.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 23. Juli 2021)


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