12.04.2014

"Das war das BITTERSTE Jahr meines Lebens"

Es ist das erste Mal, dass sich Rainer Brüderle, 68, zu den Sexismus-Vorwürfen gegen ihn im "Stern" äußert. Monatelang hatte der FDP-Politiker geschwiegen. "Aus Respekt meiner Partei gegenüber. Ich wollte der FDP nicht noch mehr Schaden zufügen, als es ohnehin der Fall war", sagt Brüderle zu BUNTE. Und fügt hinzu: "Das Jahr 2013 war für mich das bitterste meines 40-jährigen politischen Lebens. Zu der Sexismus-Kampagne kam auch noch mein Sturz im Juni 2013, bei dem ich mir schwere Brüche zuzog. Ich war dadurch spürbar angeschlagen. Ich bin zwar im Wahlkampf bis an meine Grenzen gegangen. Aber ich hatte einfach nicht mehr dieselbe Kraft wie früher."

Das Schicksal der FDP ist bekannt: Die Liberalen sind nicht mehr im Bundestag vertreten. Brüderle, der als Spitzenkandidat angetreten war, trat noch am Abend der verlorenen Wahl von allen Ämtern zurück. "Ich bleibe dennoch ein politischer Mensch", sagt er zu BUNTE. "Die verlorene Wahl werde ich sicher irgendwann verkraftet haben. Aber das ist wie nach einem schweren Arm- oder Beinbruch: Auch wenn die Wunde verheilt ist, eine Narbe bleibt zurück."

Am 9. April erscheint nun sein Buch "Rainer Brüderle. Jetzt rede ich!", das er gemeinsam mit dem Journalisten Hugo Müller-Vogg verfasst hat. Dies sei weder eine Biografie noch ein Vermächtnis, so Müller-Vogg. "Das Buch soll einen Beitrag leisten zum besseren Verständnis dessen, was zur bittersten Niederlage der FDP in der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland geführt hat."

Rainer Brüderle sagt zu BUNTE: "Ich habe dieses Buch nicht geschrieben, um Mitleid zu erzeugen. Ich möchte einfach mal meine Sicht der Dinge schildern." Als er den Sexismus-Artikel im Januar 2013 über sich gelesen habe, sei er "perplex" gewesen, schreibt er. Er habe sofort seine Frau angerufen. Im Buch heißt es: "Ich fand den Artikel zutiefst unfair. ... Ich habe den Artikel empfunden als das, was er war: eine gezielte Aktion gegen mich als Politiker und als Mensch. ... Letztlich sollte die FDP getroffen werden. Aber es war eine Aktion, die meine persönliche Integrität beschädigte."

Angelika Brüderle, mit der er seit über dreißig Jahren verheiratet ist, habe "die infamen Meldungen im Internet gesehen", schreibt er. "Sie war schockiert über diese Art der überaus unfairen und herabwürdigenden Berichterstattung, hat auch gesundheitlich erheblich darunter gelitten."

Er selbst habe sich gewundert, dass die "Stern"-Journalistin, die sich von ihm sexuell belästigt gefühlt habe, in den Monaten danach immer wieder Kontakt zu ihm gesucht habe. "Frau Himmelreich hat sich mehrmals darum bemüht, mich in meinem Auto zu Terminen zu begleiten. ... Wenn eine Frau meint, von einem Mann belästigt worden zu sein, wäre es doch normal, dass sie dessen Nähe meidet. Mit so einem Kerl will man doch nichts mehr zu tun haben."

Er habe "bewusst" geschwiegen damals, sagt er. "Angesichts der Wucht, mit der dieser Fall öffentlich diskutiert wurde, hätte eine Reaktion keine Chance gehabt. Im Gegenteil: Jede Äußerung hätte einen Teil der Medien nur angestachelt, ihren Feldzug mit noch größerem Eifer fortzusetzen. Zur Meinungsfreiheit gehört auch, schweigen zu dürfen. Das habe ich getan, weil aus meiner Sicht damals eine nüchterne, sachliche Debatte einfach nicht möglich war."

Fühlt sich Brüderle als Opfer? "Ich bin unfair behandelt worden. ... Es hat mich sehr belastet. ... Ein Jahr mit diesen Vorwürfen zu warten, sie aber 48 Stunden nach meiner Ernennung zum Spitzenkandidaten zu bringen, dahinter steckte keine journalistische, sondern eine politische Strategie." Ihm fehle bis heute "jedes Bewusstsein, mich danebenbenommen zu haben".

Seine wichtigste Stütze sei stets seine Frau gewesen. "Sie litt sehr darunter, was sie alles lesen musste, stand aber ohne Wenn und Aber zu mir."

Quelle: Bunte Nr. 16 vom 10.04.2014


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