Angela Merkel ist im Juli 70 Jahre alt geworden, die CDU will sie feiern. Eigentlich nichts einfacher als das: Man sucht einen Termin, lädt Gäste aus Politik, Wirtschaft und Kultur ein, richtet das Foyer des Konrad-Adenauer-Hauses entsprechend her. Natürlich dürfen auch die Medien nicht fehlen – je mehr, umso besser. Eigentlich!
Das Verhältnis zwischen der CDU und der Frau, die sie 18 Jahre lang als Vorsitzende führte und 16 Jahre im Kanzleramt amtierte, ist jedoch nicht normal. Nicht normal in dem Sinn, dass die Partei die Leistungen der zu Ehrenden uneingeschränkt würdigt und die Ex-Vorsitzende sich nach wie vor ihr zugehörig fühlt. Helmut Kohl hat im Zusammenhang mit der Partei gern von einer Familie gesprochen. Für Merkel hingegen war die CDU nie emotionale Heimat, sondern lediglich ein notwendiges Werkzeug, ein Machtinstrument.
Dass Merkel mit der CDU nichts mehr zu tun haben will, hat sie schon mehrfach demonstriert. Auf ihrer Homepage sind seit Juni 2022 insgesamt 36 „öffentliche Termine“ aufgeführt, an denen sie als Altkanzlerin teilgenommen hat, Darunter ist keine einzige CDU-Veranstaltung aufgelistet. Das ist insofern konsequent, als Merkel nach Ende ihrer Kanzlerschaft angekündigt hatte, nur noch „Wohlfühltermine“ wahrnehmen zu wollen. Bei der Verabschiedung des linken Flügelmanns der Grünen, Jürgen Trittin, fühlte sie sich offensichtlich wohl – wohler jedenfalls als im Kreis von ehemaligen Weggefährten aus der eigenen Partei.
Der Gastgeber hat nur beschränkten Einfluss auf seine eigene Veranstaltung
Man könnte fast meinen, zu große Nähe zur CDU wäre schlecht für Merkels Wohlbefinden. Den Ehrenvorsitz ihrer Partei hat sie abgelehnt, ebenso jede weitere Mitarbeit in der „Konrad-Adenauer-Stiftung“. Einladungen zu CDU-Parteitagen lässt sie abschlägig bescheiden. Der Feier zum 75-jährigen Bestehen der gemeinsamen Bundestagsfraktion von CDU und CSU blieb sie demonstrativ fern. Merkel verhält sich so, als wolle sie unbedingt belegen, dass die CDU die Partei ist, „die mir nahesteht“, wie sie es einmal formuliert hat, nicht die, der sie sich wirklich verbunden fühlt. Mögen andere von ihrer Partei als politische Heimat sprechen, für die „Physikerin der Macht“ war die CDU das nie.
Am kommenden Mittwoch kommt es also zur verspäteten Geburtstagsparty. Aber nicht im Konrad-Adenauer-Haus, wo sich Merkel noch bei ihrem 50. und 60. Geburtstag feiern ließ. Man trifft sich vielmehr auf neutralem Gelände, in der Berlin-Brandenburgischen Akademie der Wissenschaften. Dabei spricht der Kunsthistoriker Prof. Dr. Horst Bredekamp über „Licht und Dunkel. Die ganze Aufklärung. Eine Verteidigung.“ Licht und Dunkel, das passt auch zum Verhältnis zwischen Merkel und der CDU. Sie hat zwar bei vier Bundestagswahlen die Union zur stärksten Partei gemacht und ihr das Kanzleramt gesichert, von 2013 abgesehen mit eher mittelmäßigen Ergebnissen. Aber inzwischen wird die CDU von jenem Friedrich Merz angeführt, der die Partei bei seiner rigorosen Abkehr von Merkels Flüchtlingspolitik hinter sich weiß.
Merz hat kürzlich darauf hingewiesen, er sei der Gastgeber der Geburtstagsfeier. Aber offenbar hat der Gastgeber nur beschränkten Einfluss auf seine eigene Veranstaltung. Nach Darstellung der CDU-Zentrale hat Merkels Büro darauf bestanden, nicht mehr als 12 Medienvertreter zu der Veranstaltung zuzulassen, eine biblische Zahl. Man darf vermuten, dass diese „Jünger und Jüngerinnen“ sorgfältig ausgewählt wurden – nach Bedeutung ihres Mediums und ihrer Einstellung zu Merkel. Fernsehkameras sind dem Vernehmen nach nicht erwünscht. „CDU-TV“ will die Geburtstagsparty zwar aufzeichnen. Ob davon aber später etwas ausgestrahlt wird, ist offen. Auf noch eines legte Merkel wert: dass die Journalisten nach dem offiziellen Teil den Saal verlassen müssen. Beim anschließenden Empfang sind sie unerwünscht.
Wahrscheinlich wäre die CDU froh, wenn sie diese Geburtstagfeier bereits hinter sich hätte
Kanzlerkandidat Friedrich Merz wird Merkels Leistungen sicherlich gebührend loben. Wer das Verhältnis der beiden kennt, kann sich vorstellen, dass ihm das nicht leicht fällt. Schließlich hat Merz nie verwunden, dass Merkel ihn nach der Bundestagswahl 2002 vom Fraktionsvorsitz verdrängt hat. Und das ausgerechnet im Zusammenspiel mit dem CSU-Vorsitzenden Edmund Stoiber, der 2002 nur deshalb Kanzlerkandidat hatte werden können, weil führende CDU-Politiker – allen voran Merz – den Griff Merkels nach der Kandidatur vereitelt hatten. Fortan hatte Merz Merkels Politik stets kritisch begleitet und war 2009 ganz aus der Politik ausgestiegen – bis zum Wiedereinstieg 2018. Bald nach seiner Rückkehr auf die parteipolitische Bühne gab Merz zu Protokoll, was er von der „Parteifreundin“ Merkel hielt: „Das gesamte Erscheinungsbild der deutschen Bundesregierung ist einfach grottenschlecht“.
Wahrscheinlich wäre die CDU froh, wenn sie diese Geburtstagfeier bereits hinter sich hätte. Denn die Merkel-Party fällt ausgerechnet in die Zeit, in der Merz die Ampel-Regierung in der Flüchtlingsfrage deshalb vor sich hertreiben kann, weil er mit der „Wir-schaffen-das“-Politik Merkels gebrochen hat. Was für Merkel und ihre verbliebenen Getreuen besonders ärgerlich sein dürfte: Partei und Fraktion stehen in dieser Frage hinter Merz. In der Flüchtlingspolitik geht – anders als 2015/16 – kein Riss durch die CDU. Obendrein sind sich Merz und CSU-Chef Markus Söder beim Thema Flüchtlinge völlig einig. Ganz anders als zu Zeiten von CSU-Innenminister Horst Seehofer und Kanzlerin Merkel ist die Einheit der Union nicht gefährdet.
Merz dürfte an dieses düstere Kapitel in der Geschichte der Unionsparteien wohl kaum erinnern. Bei Merkel hingegen, die ein kurzes Schlusswort sprechen wird, ist man sich vor spöttischen Anmerkungen nie sicher. Friedrich Merz jedenfalls dürfte sich bei Bundestagsduellen mit Olaf Scholz wohler fühlen als bei Lobreden auf Merkel. Aber auch für ihn gilt die Merkel-Devise, „wat mutt, dat mutt“.
(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 24. September 2024)