19.09.2024

Audienz bei Sahra: Wie das BSW die CDU vor sich herzutreiben versucht

Das „Bündnis Sahra Wagenknecht“ scheint alle politischen Gesetzmäßigkeiten außer Kraft zu setzen. Es ist eine auf die Parteigründerin und Namensgeberin zugeschnittene Kaderpartei, ein in der Bundesrepublik bisher unbekanntes Konstrukt.

Das BSW wird von der einstigen Anführerin der „Kommunistischen Plattform“ in der Linkspartei am kurzen Zügel geführt. Wenn neue Landesverbände gegründet werden, ist das Ganze meist in weniger als einer Stunde vorbei. Die Medien müssen draußen bleiben.

Das BSW hat bundesweit nur etwas mehr als 500 Mitglieder. Die halten sich überwiegend an die Parole „Sahra befiel, wir folgen“. Innerparteiliche Demokratie sieht anders aus.

Phänomenal sind die Erfolge an den Wahlurnen. Bei der Europawahl im Juni – fünf Monate nach seiner Gründung – lag das BSW mit 6,2 Prozent vor FDP und Linkspartei.

Bei den Landtagswahlen in Thüringen (15,8) und Sachsen (11,8) wurde die junge Partei so stark, dass CDU und SPD ohne sie nicht regieren können. Die CDU wegen der „Brandmauer“ gegenüber AfD und Linken, die SPD wegen ihrer Ablehnung der AfD.

Sahra Wagenknecht, in der Linken fast immer Außenseiterin, ist politisch so mächtig wie nie zuvor. Und für die öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten, die sie über Jahre zur Talkshow-Königin aufgebaut haben, war sie nie so wertvoll wie heute.

Das kann einem schon zu Kopf steigen. Und genau das ist bei Wagenknecht offenkundig der Fall. Sie tritt auf, als wäre sie Vorsitzende der stärksten Partei und Deutschland und alle hätten jetzt auf ihr Kommando zu hören.

Das Ganze wirkt wie eine tiefe Verbeugung vor der BSW-Anführerin

Die BSW-Vorsitzende praktiziert einen politischen Stil, wie er in der Bundesrepublik noch nie angewendet wurde. Sie beansprucht für sich, letztlich darüber zu entscheiden, ob ihre Landesverbände in Sachsen und Thüringen mit CDU und SPD zusammenarbeiten dürfen oder nicht.

Nicht nur das. Wagenknecht, Chefin einer kommerziell höchst erfolgreichen Ich-AG, verlangte von den CDU-Landesvorsitzenden in Sachsen und Thüringen, dass sie mit ihr reden müssten, wenn es mit dem BSW in ihren Ländern etwas werden solle.

Man stelle sich vor, der CDU-Vorsitzende Friedrich Merz hätte die Vorsitzenden von BSW und SPD in diesen Ländern einbestellt, um zu klären, ob sie als Koalitionspartner für seine CDU überhaupt in Frage kämen. Die Medien hätten Merz unerträgliche Arroganz vorgeworfen.

Genau so tritt Wagenknecht auf: Sie verlangte von Ministerpräsident Michael Kretschmer und dem bisherigen Oppositionsführer Mario Voigt, mit ihr zu sprechen. Ihren Statthaltern in Erfurt und Dresden traut sie wohl nicht zu, die Koalitionswürdigkeit der CDU zu beurteilen.

Offenbar hält es die Anführerin dieser teils rechts- und teils linksextremen Truppe unter ihrer Würde, sich selbst nach Sachsen und Thüringen zu begeben. Jedenfalls fanden die Audienzen in Berlin statt. Ob Kretschmann und Voigt ihr Date mit Sahra mit anderen Berlin-Terminen verbunden haben oder nicht: Das Ganze wirkt wie eine tiefe Verbeugung vor der BSW-Anführerin.

Kretschmer hatte vor der Wahl gesagt, er sei über die Jahre zu dem Schluss gekommen, dass Wagenknecht „ein Talent hat, Dinge zu zerstören“.

In der Tat: Die Linkspartei hatte unter ihrem zerstörerischen Talent bereits zu leiden, als sie dort noch dabei war. Jetzt hat sie der Linken in Sachsen und Thüringen herbe Verluste beschwert wie schon zuvor bei der Europawahl.

Den Teufel Höcke mit dem Beelzebub Wagenknecht austreiben?

Man kann sich ausmalen, wie Wagenknecht jetzt die CDU in die Bredouille bringen möchte. Wie soll die ihren Wählern, vor allem denen im Westen, erklären, warum sie an der Brandmauer zur Linken festhält, aber ausgerechnet Wagenknecht als lupenreine Demokratin behandelt?

Wagenknecht kann und wird die Situation genießen. So wie sie es genossen haben dürfte, dass Kretschmer und Voigt ihr in Berlin die Aufwartung machten.

Man darf Voigt und Kretschmer unterstellen, dass sie nicht zuletzt im Interesse ihrer Länder bereit sind, mit dem BSW zu kooperieren. Aber faktisch versuchen sie, den Teufel – also Höcke – mit dem Beelzebub Wagenknecht auszutreiben.

Wagenknechts politische Karriere ist eine Abfolge von zerstörerischen Kämpfen gegen Freund und Feind. Ihrem Ziel, ihre einstigen Genossen von der Linkspartei zur Bedeutungslosigkeit zu verurteilen, ist sie einen großen Schritt nähergekommen.

Jetzt hat Wagenknecht dasselbe mit der CDU vor. Sie will CDU und SPD zwingen, ihr eigenes Verständnis für den Kriegsverbrecher Putin zu teilen und in den Koalitionsverträgen zu bekunden.

Nicht auszuschließen, dass Wagenknecht so hoch pokert, um jedwede Kooperation oder Koalition scheitern zu lassen. Wer ihre Lust am Zerstören unterschätzt, der hat schon verloren.

(Veröffentlicht am 19. September 2024 auf www.cicero.de)


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