29.07.2022

Konservative in der CDU: Merz viel besser als Merkel – aber noch nicht gut genug

Ein potentieller Heilsbringer hat es auch nicht leicht. Jedenfalls dann nicht, wenn er eine vom Erfolgskurs abgekommene Partei neu ausrichten soll, ohne dass diese dabei in neue Turbulenzen gerät. Gerade konservative Mandatsträger und Mitglieder der CDU hatten Friedrich Merz als neuen Heilsbringer bei der Kandidatur zum CDU-Vorsitz unterstützt. Sechs Monate nach dessen Wahl zum dritten Merkel-Nachfolger – nach Annegret Kramp-Karrenbauer und Armin Laschet – haben nun der Berliner Kreis, die Sächsische WerteUnion und der Förderverein des Berliner Kreises in einer Videokonferenz eine erste Bilanz gezogen. Das Fazit: Mit Merz sind die Anti-Merkelianer in der Union nicht unzufrieden. Doch rundum zufrieden sind sie auch nicht.

Professor Werner Patzelt, Politikwissenschaftler, CDU-Mitglied und ein Wortführer der Merkel-Kritiker, hob als größtes Verdienst des neuen Vorsitzenden hervor, dass er „die CDU nicht in innere Spannungszustände versetzt oder gar gespalten habe.“ Aber eine inhaltliche Neuausrichtung der Partei „samt glaubwürdiger Distanzierung von alten Fehlern“ aus der Merkel-Zeit kann er noch nicht erkennen. Patzelts Prognose: „Bleibt eine inhaltliche Erneuerung der CDU aus und dümpelt sie in weiteren Umfragen nur vor sich hin, werden sich in den Reihen einstiger Merz-Befürworter Frustrationsgefühle und die Bereitschaft zur inneren Kündigung ausbreiten.“

Die Merkelianer haben in vielen Parteigremien weiterhin die Mehrheit

Allerdings sind nach Patzelts Ansicht die Spielräume des Hoffnungsträgers Merz begrenzt. Die Merkelianer hätten in vielen Parteigremien weiterhin die Mehrheit, die Wahlerfolge in Nordrhein-Westfalen und Schleswig-Holstein seien von Politikern erzielt worden, die nicht als Merkel-Kritiker aufgefallen seien und zudem übernähmen Grüne und SPD bestimmte Positionen der CDU. Obendrein seien die Grünen als Koalitionspartner nicht attraktiv für abgewanderte CDU-Wähler. Patzelts sarkastisches Fazit: „Also pflanzt auch die CDU gerne Regenbogenfahnen auf und ficht für Geschlechterparität, was ihre Kernwählerschaft eher verringern als erweitern wird.“

Patzelt räumte ein, dass ein neuer Parteichef durchaus ausgebremst werden könne durch strukturelle und kulturelle Faktoren, die man – wenn überhaupt – nicht in kurzer Zeit verändern kann. Deshalb brauche Merz die Unterstützung der eher konservativen Parteibasis; in diesem Zusammenhang plädierte er für Mitgliederentscheide. Inhaltlich empfahl er Merz neben der Distanzierung von den Fehlern der „bleiernen Merkelzeit“ die Konzentration auf drei Themenfelder: „Umfassende Nachhaltigkeit“ (ökologisch, energetisch, fiskalisch, kulturell), „Gerechte Ordnung“ unter Einschluss sozialer Gerechtigkeit“ und „aufgeklärten Patriotismus“.

Zur Erblast der Merkel-Zeit zählt Patzelt – neben der Sozialdemokratisierung und „Angrünung“ der Partei – das Aufkommen der AfD. Die binde ungeachtet ihrer „Selbststigmatisierung“ weiterhin rund zehn Prozent der Wähler, was die „Machtperspektive der Union“ verdüstere. Zugleich lehnte er eine Koalition mit dieser „toxischen“ Partei samt ihrem „hetzerischem Ton“ kategorisch ab. Vielmehr müsse die CDU ureigene Themen, die die AfD von ihr übernommen habe, wieder selbst aufgreifen.

Merz auf Distanz zur WerteUnion

Die anschließende Diskussion drehte sich mehr um die inhaltliche Positionierung der CDU als um die Person Merz, den man „als Garant für die Erneuerung der Union herbeigesehnt“ habe, wie Ulrich Link von der Sächsischen WerteUnion es formulierte. Alexander Mitsch vom Förderverein des Berliner Kreises empfahl dringend, über die innerparteiliche Kursdiskussion nicht die Attacken auf die Ampel-Regierung zu kurz kommen zu lassen.

Merz hat nie einen Hehl aus seiner Kritik an der Merkelschen Politik gemacht, war aber klar auf Distanz zu der bis Ende Januar von dem AfD-Sympathisanten Max Otto geführten WerteUnion gegangen. Auch hat er bisher niemanden aus dem Berliner Kreis oder der derzeit führungslosem WerteUnion in sein Personaltableau eingebunden, was kritisiert wurde. Die Vorsitzende des Berliner Kreises, die ehemalige Bundestagsabgeordnete Sylvia Pantel, zeigte eine gewisse Distanz zu Merz: Ein Vorsitzender könne nicht für alles zuständig sein und nicht alles wissen. Begeisterung sieht anders aus.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 29. Juli 2022)


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