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Presse
7.10.2001 | WeltMüller-Vogg künftig bei der WELT am SONNTAG
Interview mit Hugo Müller-Vogg über das Ausscheiden aus dem Herausgeber-Gremium der FAZ und zu seinem persönlichen Werdegang
Am 7. Oktober nahm Hugo Müller-Vogg, langjähriger Mitherausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung, seine Tätigkeit als fester Kolumnist der WELT am SONNTAG auf.
WELT am SONNTAG: Herr Müller-Vogg, Sie werden künftig als fester Autor in WELT am SONNTAG schreiben. Warum gerade für diese Zeitung?
Hugo Müller-Vogg: WELT am SONNTAG hat mir ein attraktives Angebot gemacht. Und sie ist die angesehenste Sonntagszeitung in Deutschland.
WamS: Sie waren 13 Jahre Mitherausgeber der FAZ. Warum kam es zur Trennung?
Müller-Vogg: Wenn ich es wüsste, könnte ich das beantworten.
WamS: Man hat Ihnen Vertrauensbruch vorgeworfen...
Müller-Vogg: Ich habe in keinem einzigen Fall Interna der FAZ an andere Verlage weitergegeben. Deshalb habe ich meinen Kollegen damals, als sie mir das consilium abeundi erteilten, gesagt: Wer eine Begründung sucht, um sich von jemandem zu trennen, der findet auch eine.
WamS: Es wurde kolportiert, Sie wollten alleiniger Herausgeber der heute erstmals erscheinenden Sonntags-FAZ werden...
Müller-Vogg: Wie vieles, was kolportiert wurde, ist auch das völlig falsch. Als sich die FAZ von mir trennte, war die Entscheidung für eine bundesweite Sonntagsausgabe noch gar nicht gefallen.
WamS: Was erwarten Sie von einer guten Zeitung?
Müller-Vogg: Information, Unterhaltung, Service. Und immer wichtiger wird, dass sie den Lesern auch Hilfen gibt, das Weltgeschehen einzuordnen.
WamS: Also Wegweisung?
Müller-Vogg: Wegweisung, ja. Die schrecklichen Terroranschläge in New York und Washington zeigen uns doch gerade, wie viel weniger durchschaubar die heutige Welt ist als noch zur Zeit des Kalten Krieges, wo relativ einfach zwischen den Guten und den Bösen zu unterscheiden war. Gute Zeitungen müssen heute viel mehr Orientierung geben.
WamS: Ist die politische Klasse in Deutschland den Anforderungen einer zunehmend komplizierter werdenden Welt gewachsen?
Müller-Vogg: Bis zum 11. September hat die politische Klasse weithin versucht, den Menschen schwierige Entscheidungen zu ersparen. Die bedrückende weltpolitische Entwicklung wird jetzt zur Nagelprobe für ihre wirkliche Qualität. Bisher hatte sie sich - polemisch zugespitzt - vielfach der Spaßgesellschaft angepasst.
WamS: Ist Politik in diesen Tagen nicht wieder ein bitter ernstes Geschäft geworden?
Müller-Vogg: Mit Sicherheit. Die Bundesrepublik Deutschland tut gut daran, gerade in dieser Zeit solidarisch zu den USA zu stehen - auch wenn das heißt, dass wir selbst Ziel von Terroranschlägen werden könnten.
WamS: Wie sind Sie politisch zu verorten, manche beschreiben Sie als konservativ bis zur Etikette?
Müller-Vogg: Wenn es ein Vorwurf ist, dass ich bei passenden Gelegenheiten Krawatte und Anzug trage, kann ich mit diesem Vorwurf leben. Ich bin in wirtschaftlichen Fragen eher liberal, in gesellschaftlichen eher konservativ. Interessant ist, dass mir ehemalige Kollegen nachgerufen haben, ich sei zu konservativ und zu CDU-nahe für die FAZ gewesen. Da ich mich nicht geändert habe in den letzten 13 Jahren, müssen sich andere geändert haben.
WamS: Manche haben Ihnen auch nachgerufen, Sie seien ein zu autoritärer Zeitgenosse...
Müller-Vogg: Wenn Sie unter autoritär verstehen, dass jemand in einer Führungsposition auch ab und zu eine Entscheidung trifft ohne zu fragen, ob alle damit glücklich sind, dann bin ich autoritär. Aber nur in diesem Sinne.
WamS: Sie schätzen Teamarbeit?
Müller-Vogg: Ich habe Teamarbeit immer geschätzt. Sonst wären wohl von den 98 Kolleginnen und Kollegen, mit denen ich eng zusammengearbeitet hatte, nicht 92 zu meiner privaten Abschiedsfeier gekommen. Wäre ich, pardon, der autoritäre Kotzbrocken, als der ich manchmal geschildert werde, wäre die Beteiligung wohl deutlich geringer ausgefallen.
WamS: Was waren entscheidende Stationen ihres Lebens?
Müller-Vogg: Das Studium der Volkswirtschaft und Politik. Und ich habe immer - schon als Schüler - geschrieben, darum ist es im Grunde ein relativ langweiliger Lebenslauf. Mein erstes Auto, mit Zeilenhonoraren selbst verdient, habe ich vor dem Abitur gekauft. Am 1. Oktober feierte ich mein 25-jähriges Jubiläum als hauptberuflicher Journalist, davon 24 Jahre bei der FAZ. Eine besonders prägende Station waren dabei sicherlich die mehr als vier Jahre als Korrespondent in Amerika in den 80er Jahren.
WamS: Sie sind Sportfan?
Müller-Vogg: Ich bin ein großer Sportfan, ja, ein begeisterter Fußball-Anhänger. Ich halte Eintracht Frankfurt nach wie vor die Treue. Und beim Eishockey den Mannheimer Adlern.
WamS: Sie haben geboxt und Radrennen gefahren?
Müller-Vogg: Nein, Boxen und Radrennen ist genauso erfunden wie die Western-Stiefel, die ich laut Spiegel in der Redaktion getragen habe.
WamS: Sie haben mehrere Bücher geschrieben, eines ist besonders breit rezensiert worden, "Deutschland deine Stärken". Da beschreiben Sie unser Land eher als Insel der Glückseeligkeit denn als Jammertal. Gilt das heute noch?
Müller-Vogg: Das 1994 erschienene Buch wandte sich damals gegen eine Stimmung, die Johannes Gross so beschrieben hatte: "Die Deutschen sind ein übelgelauntes Volk, dem es gut geht". Daran hat sich im Prinzip nichts geändert. Wenn wir uns in der Welt umschauen, geht es uns nach wie vor überdurchschnittlich gut. Aber wir neigen in Deutschland halt immer noch dazu, das halb gefüllte Glas grundsätzlich als halb leer statt als halb voll zu betrachten.
(Welt)
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