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Presse
12.1.2004 | NETZEITUNG.DEAngela Merkel traut sich mehr zu
Angela Merkel ist wohl die derzeit erfolgreichste deutsche Politikerin. Hugo Müller-Vogg hat sie für ein Buch interviewt – und sie hat vor allem zwischen den Zeilen interessante Antworten gegeben.
Von Peter Müller
Mit etwas Glück wird Angela Merkel im Jahr 2006 die erste Bundeskanzlerin der Bundesrepublik Deutschland. Als Ossi und Frau wäre ihre Wahl ein doppeltes Novum, schon ihre Wahl zur CDU-Vorsitzenden war das. Deshalb interessiert nicht nur ihre Politik, sondern auch ihre Persönlichkeit - das wurde etwa durch die Debatte um ihre Frisur deutlich.
Hugo Müller-Vogg, ehemals Herausgeber der Frankfurt Allgemeinen Zeitung, fügt nun ein weiteres Buch den schon veröffentlichten hinzu. «Mein Weg – Angela Merkel im Gespräch mit Hugo Müller-Vogg» ist, das verspricht der Autor, ein authentisches Interview, 256 Seiten über die Vorsitzende der zweigrößten Partei Deutschlands, über die Oppositionsführerin. Doch so authentisch die Aussagen des autorisierten Interviews sind, Angela Merkel gibt wenig über sich preis.
Sie selbst drückte dies bei der Buchvorstellung am Montag anders aus. Gefragt, warum sie keine Antwort auf die Frage nach der Kanzlerkandidatur im Jahr 2006 gebe, widersprach Merkel: «Ich habe die klarstmögliche gegeben». Tatsächlich sagte Merkel auf die Frage Müller-Voggs im Interview: «Sie dürfen gerne spekulieren. Aber mehr sage ich dazu nicht.» Nur, dass sie sich das Amt zutraut, das sagt sie ein paar Zeilen später.
Nur wenig über das Verhältnis zu Helmut Kohl
Nachrichten wird dieses Buch nicht produzieren. Vielleicht aber gibt Angela Merkel mehr Antworten, auch persönliche, als sie geben will. Auf die Frage, ob sie Helmut Kohl heute anders beurteile als noch 1990, antwortet sie mit einem vielsagenden «Wir sind älter geworden». Müller Vogg tat gut daran, auch sein Nachhaken («So war das nicht gemeint.») auf diese Antwort nicht zu streichen. Auch wenn Merkel erneut keine Antwort gibt. Solche Situationen entstehen im Gespräch viele, Antworten gibt die Parteivorsitzende häufig nur zwischen den Zeilen.
Doch das Buch ist auch das Gespräch des Wessis Müller-Vogg aus Bad Homburg mit dem Ossi Merkel aus Templin. Die CDU-Vorsitzende erklärt die Welt von damals für alle, die sie nicht kennen. Lange und ausführlich beschreibt sie auch ihre Rolle als Physikerin an der Berliner Akademie der Wissenschaften, ein Gespräch mit der Stasi, das tägliche Leben. Merkel sagt über das politische System der DDR, es wäre heuchlerisch, nicht zuzugeben, dass jeder Kompromisse machten musste.
Zwanzig Stunden hat Müller-Vogg nach seinen Angaben mit Angela Merkel gesprochen. Böses über ihre Widersacher Roland Koch, Friedrich Merz oder auch Helmut Kohl sagt sie natürlich nicht. Den Anwurf, man sage ihr auch innerhalb der CDU nach, sehr machtbewusst zu handeln, lässt sie zu, sagt aber zugleich: «Da werden mir Opfer zugeschrieben, die ich nicht als Opfer erkennen kann.» Eine Antwort darauf, wie sie nach der Wende innerhalb von elf Jahren Parteivorsitzende wurde, kann sie selbst nicht geben.
Merkel: Ich bin nicht kühl
Welche Motivation Merkel hat, kann Müller-Vogg durch seine Fragen ebenfalls nicht ergründen. Doch sagt Merkel, es sei für sie unverständlich, wenn Menschen sie als kühl charakterisierten. Zudem fasziniere sie, wie verbunden Helmut Kohl sich immer mit der Bevölkerung gefühlt habe. Und gesteht ein, dass sie immer noch Sprechstunden im Wahlkreis halte, um mit den Menschen reden zu können.
Müller-Vogg sagte am Montag vor Journalisten, Merkel sei niemand, «der sein Herz auf der Zunge trägt». Ihr gesundes Misstrauen, das im Buch erkennbar wird, ist verständlich. Für das Interview aber ist es schädlich. Merkel bescheinigt Müller-Vogg aber immerhin, er sei ein «klarer und effizienter Frager» gewesen. Dass auch Nachfragen entstanden und stehen blieben, erlaubt zumindest ein wenig Einblick in das Leben und die Motivation der Parteivorsitzenden.
Angela Merkel - Mein Weg. Angela Merkel im Gespräch mit Hugo Müller-Vogg. Hoffmann und Campe Verlag, 2004.
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