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Die AfD unter Extremismusverdacht – zu Recht
Demokratie heißt: Wettbewerb der Ideen, Ringen um die besten Lösungen, Kampf um Mehrheiten. Das setzt voraus, dass alle am politischen Prozess beteiligten Parteien formal die gleichen Rechte haben, dass die Regierenden die Oppositionellen nicht gängeln, sie nicht behindern, ihre Chancen nicht auf administrativem Weg schmälern. Nur so haben die Bürger wirklich die freie Wahl.
Die Beobachtung einer Partei durch den Verfassungsschutz, ihre Einstufung als extremistischen Verdachtsfall, passt nicht so recht zu diesem Verständnis von Demokratie. Denn der amtliche Verdachts-Stempel ist dazu angetan, Wähler davon abzuhalten, für diese Verdächtigen zu stimmen, Bürger von einem Beitritt zu dieser Partei abzuschrecken und Parteimitglieder – vor allem solche aus dem öffentlichen Dienst – zum Austritt zu bewegen. Was immer die verstärkte Beobachtung und Ausspähung einer Partei mit nachrichtendienstlichen Methoden zu Tage bringen mag oder auch nicht: Es macht der betreffenden Partei das Leben schwerer, verringert ihre Chancen.
Wir sollten von Weimar gelernt haben
Gleichwohl: Demokratie ist kein natürlicher Zustand. Und keine Verfassung kann verhindern, dass demokratisch gewählte Kräfte den freiheitlichen Staat aushöhlen und letztlich zerstören. Das sollten gerade wir Deutschen aus unserer eigenen Geschichte gelernt haben. Deshalb braucht es einen Verfassungsschutz, der potentielle Feinde der Demokratie und des Rechtsstaats genau beobachtet, ganz gleich, ob diese Feinde der Freiheit politisch ganz rechts oder ganz links stehen. Die Demokratie ist zu wertvoll, um sie schutzlos ihren Gegnern auszuliefern.
Für die Beobachtung der AfD gibt es gute Gründe. In ihr tummeln sich zu viele, die aus ihrer Verachtung für demokratische Prozesse, ihrer Ausländerfeindlichkeit und ihrem relativierenden Blick zurück auf das Tausendjährige Reich keinen Hehl machen. Die gab es dort schon von Anfang an. Doch seitdem haben sich die Vertreter des völkischen, rechtsradikalen und ausländerfeindlichen „Flügel“ weitgehend durchgesetzt, auch wenn sich dieser formal aufgelöst hat. Die einst dominierenden wirtschaftsliberalen Professoren und viele von der CDU enttäuschte Konservative sind jedenfalls längst verdrängt worden oder haben resigniert. Diese AfD ist in der Tat eine echte Alternative – eine Alternative zu allen Kräften, die für ein weltoffenes Land und eine tolerante Gesellschaft stehen. Aber es ist eine gefährliche Alternative. Politiker dieser Partei haben mit hetzerischen Reden zu einem Klima beigetragen, das rechtsextremistische Gewalt und Rechtsterrorismus begünstigt. Zudem gibt es enge Verbindungen zwischen AfD-Politikern und offen verfassungsfeindlichen Akteuren wie der rechtsextremistischen „Identitären Bewegung“, dem „Institut für Staatspolitik“ des Rechtsradikalen Götz Kubitschek, der Zeitschrift „Compact“, dem Zentralorgan der Verschwörungstheoretiker, oder rechtsradikalen „Kameradschaften“ vor allem im Osten. Die Grenze zwischen AfD und braunem Sumpf ist fließend.
Es wäre besser, die Wähler erledigten die Arbeit
Es ist kein Ruhmesblatt für die Parteien der demokratischen Mitte, wenn der Verfassungsschutz die AfD nun näher unter die Lupe nimmt. Diese, allen voran die CDU, haben die neue Konkurrenz von Rechtsaußen anfänglich sträflich unterschätzt. Sie haben, um es mit den Worten des ehemaligen CDU-Generalsekretärs Tauber zu sagen, auf ihr „automatisches Verschwinden“ gesetzt. Was für eine sträfliche Fehleinschätzung!
Zudem ist es mehr als problematisch, dass die verschärfte Beobachtung ausgerechnet zu Beginn dieses Superwaljahres bekannt wird, zehn Tage vor den Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz. Die AfD wird deshalb versuchen, sich den Wähler als „politisch Verfolgte“ zu präsentieren, denen die „etablierten Parteien“ aus lauter Angst den Verfassungsschutz auf den Hals hetzen. Gut möglich, dass ihr das sogar bei der Mobilisierung ihrer Klientel hilft.
Ohnehin geht der Verfassungsschutz ein großes Risiko ein. Sollte das Bundesverfassungsgericht der Einstufung der AfD als Verdachtsfall widersprechen, wäre das ein Persilschein für die Rechtsaußen. Aber abgesehen von der juristischen Seite: Die Arbeit des Verfassungsschutzes kann und darf die anderen Parteien nicht von der notwendigen harten Auseinandersetzung mit der AfD entlasten. Und die Wähler nicht vor ihrer Verantwortung, den Stimmzettel auch als Waffe einzusetzen – als Waffe zur Verteidigung unserer freiheitlichen und pluralistischen Gesellschaft. Denn der Verfassungsschutz allein kann die Demokratie nicht verteidigen.
(Veröffentlicht auf www.focus.de am 3. März 2021)
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