07.11.2020

Trump liefert wieder einmal „fake news“ pur

In einem Land mit unabhängigen Medien haben kein Politiker und kein Regierungschef einen Anspruch darauf, dass Fernsehsender ihre Reden ausstrahlen. Auch steht es den TV-Anstalten frei, sich bei Liveübertragungen auszuschalten, wenn sie zu dem Ergebnis kommen, das Wichtigste sei bereits gesagt. So besehen hatten die drei großen amerikanischen Networks, ABC, CBS und NBC, das Recht, ihre Übertragungen abzubrechen, als Präsident Donald Trump am Donnerstagabend zur besten Sendezeit seine These verbreitete, aufgrund der „gültigen Stimmen“ wäre er der Wahlsieger, doch die Demokraten versuchten ihm den Sieg zu stehlen.

„Fake News“ rechtfertigen nicht den Abbruch der Übertragung

Trumps Tonlage war gemäßigt, doch inhaltlich schlug er wild um sich. Was er sagte, bestand fast ausschließlich aus falschen Behauptungen, glatten Lügen und Manipulationsvorwürfen, von denen er keinen einzigen belegen konnte. Trump lieferte „fake news“ pur. Doch rechtfertigt das nicht den Abbruch der Übertragung. Schließlich wurde dem größten Teil der Amerikaner vorenthalten, mit welchen dubiosen Methoden ihr Präsident seine drohende Niederlage zu kaschieren versucht. Die Bürger und Wähler verpassten auch Trumps bizarre Argumentation, wonach die Republikaner bei den Wahlen zum Senat und Abgeordnetenhaus trotz eines angeblich manipulierten Wahlsystems gut abgeschnitten hätten, er selbst aber von denselben Wahlhelfern beim Auszählen der Stimmen um seinen Sieg betrogen werde. Ein klarer Fall von intellektueller Inkonsistenz.

Nein, es war keine kluge Entscheidung, Trump sozusagen den Ton abzudrehen. Journalisten, die nach dem bewährten Motto arbeiten, „Sagen, was ist“ (Rudolf Augstein), dürfen dann nicht aus einer Live-Sendung aussteigen, wenn der US-Präsident sich als undemokratischen Verschwörungstheoretiker demaskiert. Das Verhalten der drei großen Networks war auch politisch unklug. Indem sie bei Trumps Statement nicht auf Sendung blieben, stützten sie gerade dessen Klagen, er, der erfolgreiche Anwalt der kleinen Leute, werde von „big media“ und „big money“, also von den mächtigen Medien und dem Großkapital, um seine Chancen betrogen.

CNN und Fox News praktizierten Journalismus, wie er sein soll

Journalismus, wie er sein sollte, praktizierten dagegen die beiden politisch einflussreichen Kabelsender CNN, der eher den Demokraten nahesteht, und Trumps bisherige Haussender Fox News. Beide übertrugen Trumps Rundumschlag in voller Länge – und verurteilten anschließend seine Lügen-Geschichten und Hass-Tiraden. Das machten ABC, CBS und NBC ebenfalls, aber nur auf der Basis des ihren Zuschauern gezeigten Teils der Rede. Vielleicht haben die drei Sender Trump sogar ungewollt einen Gefallen getan: Vor ihrem Publikum konnte sich Trump nicht so lange blamieren wie bei den Amerikanern, die Fox News und CNN eingeschaltet hatten.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 6. November 2020)


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