10.05.2020

Chaos-Woche in der SPD: Alle Wege führen nach links

Das kleine Glück der SPD hielt nicht lange an. Für einen Moment schienen sich die Sozialdemokraten – Corona sei Dank – aus ihrem Umfragetief etwas herausgearbeitet zu haben, lagen sogar kurz vor den Grünen. Doch inzwischen ist die einstige große Volkspartei mit mageren 15 oder 16 Prozent wieder hinter die Ökopartei auf den bescheidenen dritten Platz zurückgefallen – mehr als 20 Prozentpunkte hinter der zur alten Stärke auflaufenden Union.

Es sind nur Momentaufnahmen, gewiss. Aber auch Momentaufnahmen können schmerzen, zumal bei den Sozialdemokraten zur Zeit Pleiten, Pech und Pannen auf dem Spielplan stehen. Ihre pazifistischen Anwandlungen in der Sicherheitspolitik, das Tohuwabohu um die Wahl des Wehrbeauftragten und eine gewisse Hilfslosigkeit ihres Außenministers im Umgang mit den Vereinigten Staaten lassen die Partei für ihre vielen abgewanderten Wähler noch unattraktiver erscheinen, als sie ohnehin ist. Schlimmer noch: Die unter dem Führungsduo Saskia Esken/Norbert Walter-Borjans nach ganz links schlingernde Partei konterkariert in den Augen der Öffentlichkeit die solide Arbeit ihrer Minister Olaf Scholz (Finanzen), Huberts Heil (Arbeit) und Franziska Giffey (Familie). Man könnte fast meinen, die Parteispitze wolle partout nichts mit ihren Ministern zu tun haben.

Das größte Chaos hat jetzt die Fraktion angerichtet, als sie eine Wiederwahl des erfolgreichen und angesehenen Wehrbeauftragten Hans-Peter Bartels verhinderte und stattdessen der Rechtspolitikerin Eva Högl zu dieser Position verhalf. Sie wurde gewählt, weil die CDU/CSU diese Personalie aus Gründen der Koalitionsräson mittrug. Doch die Verstimmung in den Reihen der Union spiegelte Högls Ergebnis wider. Sie bekam 389 Stimmen, 110 weniger als Schwarz-Rot rechnerisch hat, auch wenn – Corona bedingt – insgesamt 53 Abgeordnete aus allen Fraktionen nicht abstimmten. Auch die SPD-Fraktion dürfte keineswegs geschlossen für die Neue gestimmt haben.

Das ausgesprochen mäßige Wahlergebnis kann die SPD leichter verschmerzen als den Kollateralschaden durch die Abhalfterung von Bartels: den abrupten Abgang des ruppigen, fachlich aber unumstrittenen Haushälters und Verteidigungsexperten Johannes Kahrs, Flügelmann der rechten „Seeheimer“ in der Fraktion. Kahrs hatte Bartels selbst verdrängen wollen, war aber dem eher pazifistisch eingestellten Fraktionsvorsitzenden Rolf Mützenich – ebenso wie Bartels – wohl zu stramm auf Nato-Kurs.

Nun ist der oder die Wehrbeauftragte in erster Linie Anwalt und Betriebsrat der Soldaten, nicht oberster Militärstratege. Doch die Ablehnung von Bartels und Kahrs passt zu den außenpolitischen Lockerungsübungen von Esken/Borjans/Mützenich in Richtung Rot-Rot-Grün. Es ist ja kein Zufall, dass diese führenden Sozialdemokraten ohne ersichtbaren Grund den Abzug der amerikanischen Nuklearwaffen aus Deutschland fordern und der Bundeswehr einen neuen Kampfjet verweigern wollen. Die Parole heißt: „Vorwärts Genossen, zurück zu unserer Sicherheitspolitik von einst, als wir noch von einer bündnisfreien Bundesrepublik träumten.“ Dazu passt, dass die Obergenossin Esken in diesen Tagen öffentlich davon schwärmte, wie sie einst gegen die Nato-Nachrüstung demonstriert hatte und Deutschland damit schutzlos den sowjetischen SS 20-Raketen ausgeliefert hätte. Bei der Linkspartei und den grünen „Fundis“ dürfte man diese Signale zu schätzen wissen, also bei allen, denen die Nato ebenso suspekt ist wie jeder Auslandseinsatz der Bundeswehr, der über Straßen- und Brückenbau hinausgeht.

Ganz nach dem Motto, „erst hatten wir kein Glück, dann kam auch noch Pech dazu,“ fing Außenminister Heiko Maas und damit die SPD noch eine ganz und gar undiplomatische Abfuhr seines amerikanischen Amtskollegen Mike Pompeo. Maas hatte die USA kritisiert, weil sie ihre Zahlungen an die Weltgesundheitsorganisation einstellen. Pompeo konterte, "unsere höchste Priorität gilt dem Schutz von Leben, nicht öffentlichkeitswirksamen Gesten und kleinlicher Politik.“ Und nannte die WHO eine „dysfunktionale, unfähige Bürokratie, die sich der Kommunistischen Partei Chinas „auf Kosten von Menschenleben beugt.“ Dass in diesen harschen Worten auch Washingtons Ärger über die SPD-Forderung, nukleare US-Waffen aus Deutschland abzuziehen, mitschwang, ist anzunehmen.

Nun ist das deutsch-amerikanische Verhältnis seit dem Amtsantritt Donald Trumps leider nicht mehr, was es einmal war. Das ist nicht die Schuld Berlins oder von Maas. Doch der Außenmnister hat mit seinem Vorstoß zugunsten der WHO die USA unnötig provoziert, was allenfalls an den linken und rechten Rändern des politischen Spektrums gut ankommt, aber nicht dort, wo Wahlen entschieden werden – in der Mitte.

Nein, es war keine gute Woche für die SPD. Jedenfalls scheint eines klar zu sein. Esken, Borjans und Mützenich wollen die Partei noch weiter weg von der politischen Mitte führen – in linke, pazifistische, amerika-kritische Gefilde. Als das Duo Esken/Borjans noch um den Parteivorsitz kämpfen, postete Esken im Sommer 2019 folgende Botschaft: „Wir wollen eine neue politische Kultur in der SPD erarbeiten und dabei von Kahrs bis Kühnert alle mitnehmen.“ Nun ja: Auf Kahrs muss die SPD schon mal verzichten – und auf noch mehr ihrer eher traditionellen Anhänger wohl auch.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 8. Mai 2020)


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