28.02.2020

CDU-Apparat fürchtet Schaulaufen der Kandidaten

Eines stand seit dem Leipziger CDU-Parteitag im November letzten Jahres fest: Die Nachfolge der Interimsvorsitzenden Annegret Kramp-Karrenbauer wird nicht per Mitgliederbefragung geregelt. Formal wäre ein Votum der Basis ohnehin nicht bindend gewesen. Aber die Delegierten wollten das Heft des Handelns ganz fest in der Hand behalten. Das heißt: Am 25. April kommt es auf die Mehrheit der 1001 Delegierten an – überwiegend hauptberufliche Politiker aus Bund, Ländern und Gemeinden.

Präsidium und Bundesvorstand haben ebenfalls geklärt, dass es keine Regionalkonferenzen wie 2018 geben wird, als AKK, Friedrich Merz und Jens Spahn durch das Land tourten und sich vor den Mitgliedern präsentierten. Das hatte damals die Chancen von Merz beflügelt, dem heimlichen Helden der einfachen Mitglieder. Dass er dann mit einer schlechten Parteitagsrede den Sieg verspielte, steht auf einem anderen Blatt. Offenbar wollte man im Konrad-Adenauer-Haus Merz nicht noch einmal diese Möglichkeit zur Präsentation einräumen.

Die CDU-Führung schreckt die Vorstellung eines Schaulaufens à la „Deutschland sucht den Super-Christdemokraten (DSDSC)“ ab. Bei der Wahl zwischen Armin Laschet, Friedrich Merz und Norbert Röttgen geht es eben nicht nur um den Mann an der Spitze, sondern auch um die Richtung der Partei. Deshalb befürchten manche, von einer breiten Diskussion eher eine Vertiefung der mit Händen zu greifenden Spaltung der Partei -zwischen den auf Schwarz-Grün programmierten Merkelianern und den wertkonservativen Marktwirtschaftlern. Die Tour der SPD-Bewerber vor dem Mitgliederentscheid um die Nachfolge von Andrea Nahles hat überdies eines gelehrt: Die Einbeziehung der Basis erfreut die Medien, schreckt die Wähler aber eher ab. Mögen Politikwissenschaftler auch das hohe Lied auf die Vorteile innerparteilicher Streit-„Kultur“ anstimmen: Die Menschen wollen möglichst geschlossen auftretende Parteien, keine Streithansl.

Wahlkampf ohne Regeln

Die dreieinhalb Kandidaten – Laschet hat ja noch Spahn im „Team“, wenn auch nicht auf dem Stimmzettel – stecken in einem innerparteilichen Wahlkampf, der durchaus mit harten Bandagen geführt werden wird. Dass die Beteiligten sich gegenseitig ständig als Freunde bezeichnen, sollte man nicht zum Nennwert nehmen. Nur: Es wird ein Wahlkampf ohne Regeln. Dabei ist Laschet eindeutig im Vorteil. Als Landesvorsitzender der CDU in Nordrhein-Westfalen kann er sich jederzeit an die eigenen Parteitagsdelegierten wenden und diese auf sich einschwören. Merz und Röttgen haben so eine Möglichkeit nicht.

Wenn es nach dem Konrad-Adenauer-Haus geht, wird es auch keine Delegierten-Konferenzen vor dem Parteitag geben, auf denen sich die Bewerber präsentieren könnten. Merz, Röttgen und Laschet können sich nicht einmal direkt an die von der Basis bestimmten Delegierten wenden. Dazu müssten sie deren Adressen haben. Die Parteizentrale wird sie ihnen aber nicht zur Verfügung stellen – schon aus Gründen datenschutzrechtlicher Vorschriften.

So haben die Bewerber im Grund nur zwei Möglichkeiten, indirekt für sich zu werben – über die Medien und über ihnen nahstehende Landesvorsitzende. Der baden-württembergische CDU-Vorsitzende Thomas Strobl hat bereits angekündigt, seine Truppen für Merz mobilisieren zu wollen. Die bilden nach NRW immerhin den zweitstärksten Block. Doch die Einflussmöglichkeiten eines Landesvorsitzenden sind begrenzt. Im Südwesten werden Merkelianer wie der Außenpolitiker Roderich Kiesewetter oder Merkels Staatsministerin Annette Widmann-Mauz für Laschet die Werbetrommel rühren. Umgekehrt werden Merz und Röttgen auch Stimmen aus NRW bekommen, trotz des eindeutigen Votums des dortigen Landesvorstandes für Laschet. Der schleswig-holsteinische Ministerpräsident und CDU-Chef Daniel Günther macht aus seiner Unterstützung für Laschet keinen Hehl. In Berlin und in den ostdeutschen Landesverbänden ruhen die Hoffnungen auf Merz. Diese sechs Verbände zusammen haben aber deutlicher weniger Delegierte als NRW.

Merz hat die Medien gegen sich

Bei einem Wahlkampf ohne Regionalversammlung oder Delegiertentreffen müssen sich die drei Kandidaten so vorkommen, als suchten sie in einem dunklen Saal den Ausgang. Sie können Tag für Tag Botschaften aussenden. Was davon bei der entscheidenden Zielgruppe – den Delegierten ankommt – weiß keiner. Auch wenn die Bundespartei den drei Bewerbern keine Plattform bietet, kann sie eines nicht verhindern: dass Fernsehsender das Kandidaten-Trio zu Streitgesprächen einladen oder dass Medienhäuser das tun, um die Diskussion live im Internet zu übertragen. Die Frage ist nur, ob alle drei da mitmachen. Falls etwa Laschet absagt, weil er als vermutlicher „Frontrunner“ Merz keine Profilierungsmöglichkeit bieten will, hätten die Medien wohl kein Interesse mehr.

Vor eineinhalb Jahren hatte die CDU mit den Regionalkonferenzen sich als muntere Mitmachpartei präsentiert. Jetzt scheint die Parteiführung den Kampf der Bewerber möglichst auf Sparflamme halten zu wollen. Dass dies Laschet zugutekäme, liegt auf der Hand. Er hat die stärkeren Bataillone hinter sich, zumal Spahn Stimmen vom konservativen Flügel und der Jungen Union abziehen dürfte. Auch viele CDU-Frauen sehen in dem früheren NRW-Frauenminister Laschet einen Frauenversteher, in Merz dagegen einen Macho.

Merz muss in den acht Wochen bis zum Sonderparteitag nicht nur mit heftigem Gegenwind der Medien, vor allem der öffentlich-rechtlichen Anstalten, rechnen. Er muss auch Möglichkeiten zur direkten Konfrontation mit Laschet und dem mehr oder weniger chancenlosen Röttgen suchen und schaffen. Falls ihm das gelingt, hätte er den Beweis erbracht, dass er die CDU auch in die Wahlschlacht gegen Grün-Rot-Rot führen kann.

(Veröffentlich auf www.focus.de am 28. Februar 2020.)


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