29.02.2020

Fast alles spricht für Laschet

Eines hat die CDU der SPD voraus: Sie stellte mit Merkel die erste Fraktionsvorsitzende im Bundestag und die erste Kanzlerin, mit Annegret Kramp-Karrenbauer die erste Verteidigungsministerin. Mit Ursula von der Leyen steht eine Unions-Frau an der Spitze der Europäischen Kommission. Vielleicht hat das die Partei dagegen immunisiert, jetzt unbedingt eine männlich-weibliche Doppelspitze installieren zu wollen.

Vom Gendergaga-Virus scheint die Partei dennoch befallen zu sein, wenigstens ein bisschen. Obwohl am 25. April nur ein neuer Parteivorsitzender zu wählen ist, versuchen die Bewerber Friedrich Merz und Norbert Röttgen sich als Frauenversteher zu profilieren. Er werde die Position des Generalsekretärs mit einer Frau besetzen, versprach Merz. Und Röttgen verkündete, "die zweite Person in meinem Team wird eine Frau sein.“ Was nicht ganz logisch ist. Denn auf dem Stimmzettel wird die Dame sicher nicht stehen. Bei so viel „Gedöns“ wird das Team Armin Laschet/Jens Spahn noch eine Frau als dritte im Bund benennen – sozusagen als zeitgeistige Dekoration.

Welche Superfrauen Merz und Röttgen auch immer aufbieten mögen: An der Favoritenrolle von Laschet wird das nichts ändern. Der nordrhein-westfälische Ministerpräsident ist seinen beiden Mitbewerbern in vielen Punkten voraus:

- Laschet hat 2017 unter schwierigen Bedingungen NRW für die CDU zurückerobert. Mit Röttgen dagegen hatte die CDU dort fünf Jahre zuvor nur magere 26 Prozent erreicht. Merz wiederum hat außerhalb seines für einen CDU-Politiker sicheren Wahlkreises noch nie zur Wahl gestanden.

- Laschet zeigt als Ministerpräsident, dass er regieren kann – und das zusammen mit der FDP. Röttgen war nur kurz Bundesumweltminister. Merz war vor 20 Jahren Fraktionsvorsitzender im Bundestag – für nicht einmal zwei Jahre.

- Laschet hat die stärkeren Bataillone hinter sich. Die nordrhein-westfälische CDU stellt 30 Prozent der Delegierten. Nicht wenige werden bei ihrer Stimmabgabe berücksichtigen, dass eine Niederlage ihres Ministerpräsidenten diesen schwer beschädigen würde. Da bekommt der Slogan „Erst das Land (=NRW), dann die Partei“ eine neue Bedeutung.

- Laschet kann darauf zählen, dass sein Team-Kamerad Spahn Stimmen aus verschiedenen Lagern mitbringen dürfte: aus den Reihen der Gegner von Merkels Flüchtlingspolitik, von den mit der „Sozialdemokratisierung“ der Partei Unzufriedenen und nicht zuletzt von der Jungen Union.

- Laschet darf mit der Unterstützung durch große Teile der Frauen-Union rechnen, obwohl die Frauen-Quote in seinem Zwei-Mann-Team Null beträgt. Schließlich war er in NRW einst Frauen- und Integrations-Minister, was die „Modernisierer*innen“ in der CDU nicht vergessen haben.

- Laschet kommt zugute, dass die meisten Medien – allen voran die öffentlich-rechtlichen Anstalten – alle Register ziehen, um ihn als den besten der drei Kandidaten darzustellen. Schließlich ist Laschet der grünste unter den drei Bewerbern – und der einzige Merkelianer.

Sympathien an der Basis

Laschets Coup mit Spahn hat Merz in Bedrängnis gebracht. Er verfügt unverändert über große Sympathien an der Parteibasis, weiß auch den Wirtschaftsflügel hinter sich – und die konservativen Merkel-Kritiker sowieso. Zudem dürfte er von den baden-württembergischen Delegierten, dem zweitgrößten Block nach NRW die allermeisten Stimmen bekommen. Merz ist auch der bessere Redner als Laschet, wenn er nicht gerade einen so schlechten Tag erwischt wie auf dem Parteitag 2018. Aber er kann nicht einfach auf den 48 Prozent von damals aufbauen. Denn es gibt dieses Mal keine Regionalkonferenzen, auf denen er sich besser als AKK und Spahn präsentierte, was wiederum viele Delegierten beeindruckt hat. Weil Merz in den Umfragen am besten abschneidet, haben sich die Medien bereits auf ihn eingeschossen. Er wird als Mann von Vorgestern portraitiert, als Reaktionär, als halber Nazi. Seine bisherige Tätigkeit als Aufsichtsratsvorsitzender bei der deutschen Tochter der Fondsgesellschaft Blackrock wird unterschwellig so dargestellt, als handele es sich dabei um eine mafiöse Finanzgesellschaft.

Norbert Röttgen hingegen hat nicht einmal Außenseiterchancen. Er hat nach seinem politischen Absturz vor acht Jahren als Außenpolitiker an Statur und Gewicht gewonnen. Er verkörpert den modernen Konservativen, ist weniger zeitgeistig orientiert als Laschet und liberaler als Merz, auch er ist ein weitaus besserer Redner als Laschet. Aber er hat keine Gruppierung in der Partei hinter sich, keine einflussreichen Unterstützer. Seine Kandidatur erinnert an die Spahns vor eineinhalb Jahren. Da will einer die Gelegenheit nutzen, um zu zeigen, was er kann. Sozusagen eine Bewerbung auf Vorrat – für was auch immer.

Für Laschet wie Merz ist de Parteivorsitz ist nicht das Ziel, sondern das Sprungbrett zur Kanzlerkandidatur. Die CSU verweist aus nachvollziehbaren Gründen darauf, dass es einen gemeinsamen Kandidaten von CDU und CSU nicht ohne Zustimmung aus Bayern geben kann. Gleichwohl wird die Vorsitzendenwahl faktisch die K-Frage beantworten. Deshalb muss die CDU sich fragen, wie sie sich strategisch aufstellen will. Das in den Umfragen ständig abschmelzende Wählerpotential der Union in Richtung „25 Prozent minus X“ lässt bisher Undenkbares möglich erscheinen: dass die Grünen stärkste Partei werden und dass es für eine Regierung von Grünen, SPD und Linken reichen könnte.

CDU-Delegierte entsheiden meistens pragmatisch ab

Mit den Kandidaten Laschet und Merz verbinden sich höchst unterschiedliche Erwartungen. Laschet, so hoffen die Merkelianer, werde zu den Grünen abgewanderte Wähler zurückholen. Die Merz-Anhänger dagegen gehen davon aus, eine CDU mit klarem konservativem Profil und wirtschaftspolitischer Kompetenz könne AfD-Wähler und Nichtwähler zurückgewinnen und zudem bei SPD- und FDP-Wählern punkten. Beide Strategien sind nicht ohne Risiko. Eine CDU in Gestalt von „Grün light“ könnte viele Wähler dazu verleiten, dann doch lieber das Original zu wählen. Dasselbe gilt in Bezug auf eine konservativere Ausrichtung. Allerdings ist nicht auszuschließen, dass gerade nach Halle und Hanau mancher AfD-Wähler endlich erkennt, dass er nicht bei einer konservativen Partei gelandet ist, sondern bei einer neuen NPD.

Bei all dem darf man nicht übersehen, dass die 1001 Delegierten nicht repräsentativ für die Mitglieder oder gar die Wähler der Partei sind. Bei ihnen handelt es sich überwiegend um Berufspolitiker – von Bundesministern über Abgeordnete bis zu Bürgermeistern und Landräten. Die haben in der Vergangenheit fast immer pragmatisch gehandelt. Sie sind denen gefolgt, die ihrer Partei laut Meinungsforschern die besten Ergebnisse versprachen. Auch wenn Laschet derzeit vorn liegt: Falls Merz seinen Vorsprung bei potentiellen CDU-Wählern noch ausbauen kann, könnte das Delegierte, die in Laschet in erster Linie einen Konsens-Kandidaten sehen, zugunsten von Merz beeinflussen.

Geschichte wiederholt sich nicht. Doch eine Erinnerung drängt sich auf: 2018 ging Merz als Favorit ins Rennen. Das Ergebnis ist bekannt.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 28. Februar 2020.)


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