09.01.2020

Dunkelrot-Schwarz macht die CDU völlig unglaubwürdig

Altbundespräsident Joachim Gauck (laut Selbstdefinition „links, grün und liberal“) und der thüringische Ex-Ministerpräsident Dieter Althaus (CDU) gaben eine Steilvorlage für den in Erfurt amtierenden Regierungschef Bodo Ramelow von der Linkspartei. Die Linke und die Union sollen auf eine Weise kooperieren, die Ramelow das Amt sichert und die bei der letzten Wahl stark geschrumpfte CDU irgendwie doch mitregieren lässt – auch ohne eine formale Koalition zwischen den Dunkelroten und den Schwarzen. Das könnte man als unrealistische Gedankenspiele zweier Ehemaliger abhaken. Doch so einfach ist das nicht. Der angeschlagene thüringische CDU-Chef Mike Mohring jedenfalls erweckt den Eindruck, als locke ihn diese Perspektive. Frei nach dem Motto: Lieber unglaubwürdig werden und mitregieren, als in der Opposition zu versauern. Dazu ein paar Anmerkungen.

1. Rot-Rot-Grün ist abgewählt: Die Wähler in Thüringen haben bei der Landtagswahl vor vier Monaten eine klare Entscheidung getroffen: Sie haben die Koalition aus Linken, SPD und Grünen abgewählt. Und: Sie haben keiner anderen Konstellation einen Regierungsauftrag erteilt.

2. Die Linke hat gewonnen, aber nicht gesiegt: Mit dem Wahlergebnis zufrieden sein können nur die Parteien am rechten und linken Rand – AfD und Die Linke. Bodo Ramelow und seine umbenannte SED haben zwar ein respektables Ergebnis erzielt, aber keine absolute Mehrheit; 31 Prozent sind eben keine 51 Prozent. Aus 31 Prozent einen Anspruch auf eine parlamentarische Unterstützung anderer Parteien ableiten zu wollen, spricht eher für die Hybris des in der Bevölkerung wohlgelittenen Ramelow, nicht für sein Verständnis von Demokratie.

3. Thüringen ist nicht unregierbar: Die abgewählte Regierung bleibt geschäftsführend im Amt, weil die (klug konzipierte) Landesverfassung das so regelt. Rot-Rot-Grün hat überdies mit Blick auf die drohende Abwahl bereits vor der Wahl einen Haushalt für 2020 beschlossen. Das Land kann also regiert und verwaltet werden, wird nicht zum „failed state“. Ganz abgesehen davon: In Hessen gab es 2008/2009 eine Regierung ohne Mehrheit, in Nordrhein-Westfalen hielt eine Minderheitsregierung von 2010 bis 2012 sogar zwei Jahre durch. Beide Länder haben keine bleibenden Schäden davongetragen.

4. Ein klassischer Fall für eine Minderheitsregierung: Die CDU hat in Thüringen vor der Wahl ein wie auch immer geartetes Miteinander mit den Linken ebenso kategorisch ausgeschlossen wie mit der AfD. Da aber die ganz Linken und die ganz Rechten zusammen über die Hälfte der Mandate gewonnen haben, ist ohne Linke oder AfD keine Mehrheitsbildung möglich. Die CDU hat in Erfurt also nur die Wahl zwischen einem eklatanten Wortbruch, oder dort zu bleiben, wo sie ist – in der Opposition.

5. Parlamentarischer Pragmatismus als Gebot der Stunde: Ein dunkelrot-schwarzes Projekt wäre der Ausfluss machtpolitischen Opportunismus. Sein Wort nach der Wahl nicht zu brechen, schließt aber politischen Pragmatismus nicht aus. Eine rot-rot-grüne Minderheitsregierung bräuchte für ihre Vorhaben Stimmen der Opposition. Das sicherte der CDU erheblichen Einfluss, da Ramelow wohl kaum auf AfD-Stimmen bauen wird. Falls eine Minderheitsregierung also Vorschläge machte, die auch aus Sicht der Union im Interesse des Freistaats liegen, könnte die CDU Verantwortungsbewusstsein demonstrieren und zustimmen – ganz ohne irgendwelche Gegenleistungen und förmliche Vereinbarungen.

6. Thüringen ist nicht der Nabel der Welt: Die CDU Deutschlands ist programmatisch nach 14 Jahren Merkel und 10 Jahren Schwarz-Rot inhaltlich so ausgemergelt, dass sie nur noch wenige Alleinstellungsmerkmale vorzuweisen hat. Die gleichzeitige scharfe Abgrenzung gegenüber der Linken, die unverändert den Unrechtscharakter der DDR leugnet, und gegenüber der AfD, in der Relativierer des NS-Unrechts ebenso einen Platz haben wie „Völkische“, Ausländerfeinde und Antisemiten, gehört zur DNA der Union. Sollte die thüringische Union davon abrücken, würde das den Charakter als CDU als der einzigen, noch halbwegs intakten Volkspartei der Mitte zerstören. Auch wenn thüringische CDU-Politiker das Wohl ihres Landes hervorheben: Eine nachhaltige Beschädigung der CDU, wenn nicht gar ihre Zerstörung wäre für Deutschland schlimmer als eine Regierung Ramelow, die sich für jedes Gesetz mühsam eine Mehrheit suchen muss.

Fazit: Als Bundespräsident hatte Gauck vor fünfeinhalb Jahren zu einer Regierungsbeteiligung der Linken die Frage gestellt, wie weit die Partei heute von den Vorstellungen entfernt sei, "die die SED einst hatte bei der Unterdrückung der Menschen". Jetzt stellt er Ramelow, der sich penetranter als jeder CDU-Politiker als Christenmensch inszeniert ("Ich habe nichts zu verlieren, außer meiner Bibel") einen Persilschein aus und drängt die CDU geradezu, ihre Prinzipien über Bord und sich der Linkspartei an den Hals zu werfen. Mag auch der Altbundespräsident mit seiner Glaubwürdigkeit spielen, die CDU kann und darf sich das nicht leisten – nicht in Thüringen und nicht im Bund.


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