12.11.2019

Good bye, Marktwirtschaft

In dem noch ungeschriebenen Buch, „Wie in Deutschland die Marktwirtschaft starb“, müsste dem GroKo-Beschluss zur Grundrente ein wichtiges Kapitel gewidmet sein. Zwar gelang es der CDU/CSU gerade noch, die von Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) konstruierte „Konfettikanone“ (Alexander Dobrindt, CSU) zu verhindern. Dank einer Einkommensprüfung wird das Geld unter Kleinrentnern nicht völlig wahllos verteilt. Dennoch stellt die Grundrente in der vorgesehenen Form einen schweren Eingriff in unser Rentensystem dar. Sie könnte zum Türöffner für eine weitere Aushöhlung unserer marktwirtschaftlichen Wirtschaftsordnung werden.

In der Rentenversicherung galt bisher, also die Gleichwertigkeit von Leistung und das Äquivalenzprinzip Gegenleistung. Das bedeutet: Je mehr und je länger jemand in die Rentenversicherung eingezahlt hat, umso höher fällt seine Rente aus. Ist die erworbene Rente bei Erreichen der Altersgrenze zu niedrig, wird sie vom Staat aufgestockt. Diese Grundsicherung bekommt aber nur, wer nachweislich keine anderen Einkünfte und kein nennenswertes Vermögen hat. Auch das fußt auf einem bewährten sozialstaatlichen Prinzip: Der Staat hilft nur denen, die sich nicht selbst helfen können. Darin drückt sich der Respekt vor denen aus, die mit ihren Steuern und Abgaben die Sozialleistungen finanzieren müssen.

Die Grundrente ist nicht gerecht

Mit der Grundrente wird alles anders. Die Einkommensgrenze verhindert zwar, dass der Staat einem alleinstehenden Rentner mit mehr als 1250 Euro im Monat noch einen Zuschlag zur Rente gewährt. Doch mit Gerechtigkeit hat dies nichts zu tun. Wer beispielweise mit einer Rente von 600 Euro und Mieteinkünften aus einer ererbten Wohnung von ebenfalls monatlich 600 Euro knapp unter dieser Grenze bleibt, dem wird die Rente aufgestockt. Er verfügt dann über mehr Geld als derjenige, der von seiner selbst erarbeiteten Rente in Höhe von 1250 Euro leben muss. Was daran gerecht sein soll, kann wohl kein GroKo-Koalitionär erklären.

Der Verzicht auf eine echte Bedürftigkeitsprüfung bei der Grundrente wird kurz über lang die Diskussion eröffnen, warum der Hartz IV-Bezieher seine Vermögensverhältnisse offen legen muss, ehe ihm Geld von der Arbeitsagentur überwiesen wird. Das Argument wird dann lauten: Auch die vor der Arbeitslosigkeit erbrachte Arbeitsleistung des Betroffenen verdient Respekt, ganz gleich, wie hoch sein Vermögen und die Einkünfte seines Partners sind. Dasselbe Argument kann dann gegen eine Bedürftigkeitsprüfung bei der Sozialhilfe herangezogen werden. Und wieder wäre ein marktwirtschaftliches Ordnungsprinzip aufgehoben, wonach staatliche Hilfe nicht unabhängig von Einkommen und Vermögen sein soll und darf.

Auch das Leistungsprinzip wird ausgehebelt

Dies alles ist ganz im Sinne von Sozialdemokraten, Linken und Grünen, bei denen die Idee des bedingungslosen Grundeinkommens immer mehr Anhänger findet – der Staat nicht als Helfer in der Not, sondern als Einkommensgarant für alle. Die CDU/CSU macht dabei mit, weil sie lieber mit der SPD regieren will als gar nicht. Aber Partei Ludwig Erhards hat das Erbe des politischen Vaters der sozialen Marktwirtschaft schon an anderer Stelle auf dem Altar der Macht geopfert. Das gilt für den undifferenzierten gesetzlichen Mindestlohn wie für die Mietpreisbremse. Dass Rote wie Grüne darauf noch einen Mietendeckel draufsatteln, darf niemanden verwundern. Der Glaube, mit erzwungenen Preisbegrenzungen ließe sich die Lage am Wohnungsmarkt verbessern, verschreckt potentielle Investoren, führt aber nicht zum Bau einer einzigen neuen Wohnung. Der Optimismus von Berlins Regierendem Bürgermeister Michael Müller (SPD), andere Großstädte würden sich dem Berliner Planwirtschaftsexperiment anschließen, ist nicht unbegründet. So wie die CDU/CSU der SPD auf dem Holzweg Mietpreisbremse gefolgt ist, wird sie das wohl auch beim Mietendeckel tun.

Mit dem Leistungsprinzip einer Marktwirtschaft nichts zu tun hat überdies die Frauenquote. Wenn in Unternehmen bei der Besetzung von Aufsichtsratspositionen im Zweifel das Geschlecht das entscheidende Kriterium sein muss, greift der Staat auf massive Weise in die Personalpolitik ein. Da schwimmt die CDU/CSU längst im Gender-Mainstream mit. Frauenförderung per Gesetz klingt ja so schön fortschrittlich. Diese ordnungspolitische Sünde wird weitere nach sich ziehen. Die Frauenquote wird in nicht allzu ferner Zukunft auch die Zusammensetzung von Vorständen und Geschäftsführungen bestimmen. Zudem darf darauf gewettet werden, dass eine Migrantenquote folgen wird. Junge weiße biodeutsche Männer werden es künftig sehr schwer haben.

Vielleicht gründet die CDU ja einen „Arbeitskreis Soziale Marktwirtschaft“

Es mag ja sein, dass die CDU/CSU bei der Grundrente bewusst ein Eigentor geschossen hat, damit ihr Partner SPD nicht beleidigt das Spielfeld verlässt. Parteipolitische Taktiererei und das Einhalten ordnungspolitischer Prinzipien schließen einander jedoch aus. Vielleicht wird die CDU eines nicht allzu fernen Tages einen „Arbeitskreis Soziale Marktwirtschaft“ gründen. Dort werden dann Wirtschaftshistoriker dem Parteinachwuchs erklären, was das einst bedeutet hat: Marktwirtschaft und Ordnungspolitik.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 12. November 2019


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