26.08.2019

Kramp-Karrenbauer hat die Trümmer der Ära Merkel geerbt

Eines haben Angela Merkel und Annegret Kramp-Karrenbauer gemeinsam: Ihr Amt an der Spitze der CDU traten beide als Trümmerfrau an. Beide sollten eine schwer angeschlagene Partei wieder aufrichten. Aber hier endet die Gemeinsamkeit. Merkel musste „nur“ die Spendenaffäre von 1999 überwinden. Diese Trümmer aus der Ära Kohl zu beseitigen, war schwer genug, hatte aber nichts mit der inhaltlichen Ausrichtung der Partei zu tun.

Demgegenüber hat Kramp-Karrenbauer die ungleich schwerere Aufgabe: Sie steht auf den politischen Trümmern der Ära Merkel. Die Hinterlassenschaft: Niemand weiß noch, wofür die CDU steht, sieht man einmal von ihrem Drang zum Regieren ab - mit wem auch immer. Was noch schwerer wiegt: Die CDU ist nach fast zwei Jahrzehnten unter Merkel eine gespaltene Partei. Natürlich hatte es auch in der alten CDU innerparteiliche Auseinandersetzungen gegeben -zwischen Gaullisten und Atlantikern, Sympathisanten von Brandts neuer Ostpolitik und prinzipiellen Gegnern, Arbeitnehmern und Unternehmern, Jungen und Alten. Aber man stritt so, wie das in jeder Familie bisweilen notwendig ist. Niemand sprach dem anderen das Recht ab, dazuzugehören.

AKK als Managerin einer gespaltenen Partei

Das ist längst nicht mehr so. Als Kramp-Karrenbauer im Frühjahr sich zur Generalsekretärin wählen ließ, wurde sie Managerin einer bereits gespaltenen CDU - und zwar einer ideologisch gespaltenen Partei. Den auf Modernisierung alias Sozialdemokratisierung und Vergrünung setzenden „Merkelianern“ standen die Konservativen gegenüber. Die beklagten nicht nur, dass die Partei in der Wirtschafts- und Gesellschaftspolitik immer mehr von bewährten Prinzipien abrückte. Sie beobachteten mit Entsetzen, dass das Konrad-Adenauer-Haus unter Leitung des vor allem mit seiner eigenen Vermarktung beschäftigten Generalsekretärs Peter Tauber den Aufstieg der AfD mehr oder weniger tatenlos zusah. Das Lob der überliegend links-grün orientierten Medien über die „moderne“ CDU wog bei Merkel, Tauber & Co schwerer als die Abwanderung zahlreicher Wähler nach ganz rechts. War es Unfähigkeit oder Arroganz? Tauber war jedenfalls 2014 noch überzeugt, die AfD werde nach kurzem Höhenflug wieder verschwinden wie einst die Piraten.

Die ideologische Spaltung der CDU manifestiert sich inzwischen darin, dass es seit dem vergangenen Jahr erstmals zwei innerparteiliche Gruppierungen gibt, die um den Kurs der Partei, um ihre Seele kämpfen - die konservative Werte-Union und die linksliberale Union der Mitte. Beide Gruppierungen verhalten sich so, als wären sie bei den SPD-Linken in die Lehre gegangen. Die Gegner, ja die Feinde sind die eigenen „Parteifreunde“ auf der jeweils anderen Seite des CDU-Spektrums. Mit der SPD, den Grünen oder der AfD setzen sich beide Seiten so gut wie nie auseinander. Ihre ungeteilte, bissige und verletzende Aufmerksamkeit gehört dem „Feind im eigenen Haus“.

Union der Mitte und Werte-Union kennen nur einen Gegner: die lieben Parteifreunde

Union der Mitte wie Werte-Union stellen auf den Parteitagen keine relevanten Stimmblöcke. Sie wirken eher über die Medien in die Partei hinein. In ihr dürfte der Graben zwischen den Befürwortern eines modernen Konservatismus und denen einer grün imprägnierten „Union der Beliebigkeit“ seit dem knappen Wahlsieg Kramp-Karrenbauers über Friedrich Merz vor acht Monaten noch tiefer geworden sein. Denn Kramp-Karrenbauer hat es bisher nicht geschafft, die Partei inhaltlich zu einen. Schlimmer noch: In den Umfragen liegt die Partei deutlich unter dem schlechten Wahlergebnis bei der Bundestagswahl 2017. Überdies drohen bei den drei Landtagswahlen im Osten neue Tiefststände. Eine CDU mit Wahlergebnissen unter 20 Prozent in weiten Teilen der Republik oder Umfragewerten von 25 Prozent plus im Bund verliert aber ihr wichtigstes Pfund: nämlich die letzte Volkspartei zu sein.

Annegret Kramp-Karrenbauer sah noch vor wenigen Monaten aus wie die sichere Merkel-Nachfolgerin im Kanzleramt. Doch ihre Aussichten haben sich deutlich verschlechtert. Kaum eine andere Partei orientiert sich bei der Entscheidung für ihre Spitzenkandidaten so stark an deren Wahlchancen wie die CDU. Kramp-Karrenbauers Umfragewerte aber sind schlecht, zu schlecht, als dass ihr die Kanzlerkandidatur automatisch zufiele. Wenn jetzt gewählt würde, hätte der Nordrhein-westfälische Ministerpräsident Armin Laschet die ungleich besseren Chancen. Der gehört innerparteilich zwar zu den Merkelianern, regiert in Düsseldorf jedoch reibungslos mit den Freien Demokraten und wäre für die Konservativen in der Partei eher akzeptabel als etwa der schleswig-holsteinische Ministerpräsident Daniel Günther, Idol der Union der Mitte.

Kramp-Karrenbauer muss auf die SPD hoffen – und auf Glück im Ministeramt

In der Politik kann sich sehr vieles sehr schnell ändern. Sollte es in Deutschland zu einer ausgeprägten Rezession mit steigenden Arbeitslosenzahlen kommen, wirkte das auf grüne Blütenträume wie Nachtfrost. Bei unveränderter politischer und wirtschaftlicher Großwetterlage spricht dagegen nichts für eine Erholung der CDU. Kramp-Karrenbauer muss also darauf hoffen, dass die SPD sich für eine neue Parteispitze entscheidet, die die Arbeit der GroKo fortsetzen will. Zugleich müsste Kramp-Karrenbauer die Zeit nutzen, um als Ministerin sich den Ruf einer starken Politikerin zu erarbeiten, der man die Führung des Landes zutraut. Dafür ist das Verteidigungsministerium freilich das am wenigsten geeignete Haus. Dort ist schon manche Kanzlerhoffnung begraben worden, zuletzt die von Thomas de Maizière und Ursula von der Leyen.

Kramp-Karrenbauer ist bei ihrem Wechsel aus Saarbrücken nach Berlin häufig mit Merkel verglichen worden. Nicht ohne Grund: Beide Politikerinnen sind stets unterschätzt worden, beide haben sich unter schwierigen Bedingungen als zäher erwiesen als ihre Gegner. Gleichwohl spricht wenig dafür, dass AKK ein ähnlicher Aufstieg bevorsteht wie der Noch-Kanzlerin. Die Trümmer aus der Merkel-Zeit sind zu groß und zu schwer.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 21. August 2019.


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