24.07.2019

„Streikende“ Schüler haben jetzt einen Freibrief von der Kanzlerin

Die für eine andere Klimapolitik kämpfende Schülerbewegung „Fridays for Future“ weiß nicht nur die Grünen, die Linkspartei und die meisten Medien hinter sich. Obwohl sich die Proteste der angeblich „streikenden“, in Wirklichkeit während des Unterrichts demonstrierenden Schüler gegen die Bundesregierung und insbesondere gegen die CDU/CSU richten, hat Angela Merkel für deren Treiben große Sympathien. Erst am Freitag hat die Kanzlerin die Rolle der Schülerproteste für den Klimaschutz gewürdigt. „Die Ernsthaftigkeit“, mit der Greta und viele andere junge Leute auf die Notwendigkeit für mehr Klimaschutz hinwiesen, „die hat uns schon nochmal dazu gebracht, auch sicher entschlossener an die Sache heranzugehen“, sagte sie. Und: Die Demonstrationen hätten die Bundesregierung „sicherlich zur Beschleunigung getrieben.“

Es ist nicht das erste Mal, dass die Kanzlerin der eigenen Wissenschaftsministerin und ebenso den Kultusministern in ihrer Partei in den Rücken fällt, die auf scheinbar so altmodische Regeln wie die gesetzliche Schulpflicht hinweisen. Dieselbe Haltung hatte sie bereits im März eingenommen. Damals sagte sie: „Ich unterstütze sehr, dass Schülerinnen und Schüler für den Klimaschutz auf die Straße gehen und dafür kämpfen“. „Fridays for Future“ pries sie schon damals in den höchsten Tönen: „Ich glaube, dass das eine sehr gute Initiative ist.“

Die Kanzlerin übt sich derzeit mal wieder in ihrer Parade-Disziplin: dem Zeitgeist-Surfen. Wenn alle vom Klima reden, dann will die Regierungschefin nicht abseits stehen. Das war bei Themen wie Frauenquote, Mindestlohn, Homo-Ehe oder Mietpreisbremse nicht anders. Dass sie jetzt Wasser auf die Mühlen derer leitet, die ihr Versagen in der Klimapolitik vorwerfen, nimmt sie in Kauf. Schließlich spricht sie ja selbst von „Pillepalle“, wenn sie ihre eigene Politik der letzten Jahre auf dem Feld der Ökologie bewertet. Was zählen noch die eigenen Taten und Worte, wenn es darum geht, bei den deutschen „Gretas“ und ihren Jünger*innen ein paar Sympathiepunkte einzuheimsen und sich mit den Grünen einen Wettbewerb um das porentiefste Grün zu liefern?

Die „Fridays for Future“-Aktivisten haben sicherlich dazu beigetragen, dass das Thema Klimawandel im öffentlichen Bewusstsein derzeit Konjunktur hat. Dass sie jedoch die gesamte Regierung auf Trab gebracht haben sollen, das wussten die Schüler und Studenten samt ihrer bekannten wie unbekannten Unterstützer bisher wohl selbst nicht. Jetzt haben sie das Gütesiegel „Die Regierung zur Beschleunigung getrieben“ – aus Kanzlerinnenmund. Welche Mutter, welcher Vater, welcher Lehrer, welcher Schulleiter und welcher Kultusminister wird es da noch wagen, auf die Schulpflicht hinzuweisen?

Freitags nicht zum Unterricht zu gehen, wird – folgt man Merkel – gewissermaßen zur umweltpolitischen Pflicht. Die Kanzlerin bewegt sich da auf den Spuren Talleyrands: „Da geht mein Volk. Ich muss ihm nach. Ich bin sein Führer!“

Veröffentlicht auf www.cicero.de am 24. Juli 2019.


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