04.02.2019

Heil wirft Geld unters Rentner-Volk wie Karnevalisten Kamellen

Kann man dagegen sein, dass Menschen, die ein Leben lang gearbeitet haben, im Alter mehr bekommen als solche, die immer nur Kostgänger des Staates waren? Natürlich nicht. Deshalb ist der Plan von Arbeitsminister Hubertus Heil richtig, die Renten von Geringverdienern dann deutlich aufzustocken, wenn sie mindestens 35 Beitragsjahre vorzuweisen haben. Soweit, so gut. 

Dass Heil die geplante Grundrente auf Anraten seiner Marketing-Experten „Respektrente“ getauft hat – geschenkt. Ein bisschen Show muss halt sein, wenn die Sozialdemokraten an ihrem Profil als Kümmerer-Partei feilen wollen. Was als „soziale Gerechtigkeit“ verkauft werden soll, ist jedoch teilweise höchst ungerecht. Denn nach den Plänen des Ministers soll jeder Rentner bis zu 447 Euro im Monat mehr bekommen, der mit seinen erarbeiteten Rentenansprüchen unter dem Niveau der Grundsicherung bleibt. Und das ganz gleich, ob er im Alter allein auf die staatliche Rente angewiesen ist, oder ob die Rente nur ein Zubrot ist zu einer üppigen Altersversorgung aus anderen Quellen. 

Heils „Sozialpolitik mit der Gießkanne“ belohnt diejenigen, die ganz bewusst ein Leben lang nur in Teilzeit gearbeitet und deshalb geringe Rentenansprüche haben. Ganz gleich, wie hoch etwa die Einkünfte des Partners sind, ob es zusätzlich Geld von einer privaten Rentenversicherung gibt oder wie hoch das vorhandene Vermögen eines Kleinrentners oder einer Kleinrentnerin ist: Heil wirft wahllos Geld unters Rentnervolk wie Karnevalisten ihre Kamellen. Zum Wohl der Rentner – und nicht zuletzt zum Wohl der SPD. 

Der Arbeits- und Sozialminister will bei seiner Rentenaufstockung bewusst auf eine Bedürftigkeitsprüfung verzichten – „aus Respekt“ vor den Empfänger. Wenn es jedoch respektlos ist, nachzurechnen, ob jemand staatliche Hilfe braucht oder nicht, müssten wir dann nicht im gesamten Sozialbereich auf alle Bedarfsprüfungen und Einkommensgrenzen verzichten? Ganz abgesehen davon: Wo bleibt eigentlich Heils „Respekt“ vor den Beitragszahlern, die das alles bezahlen sollen – auch die Rentenerhöhung für ehemals teilzeitbeschäftige Frauen von bestens verdienenden Männern?  

Heils Spendier-Plan hat noch einen Konstruktionsfehler. Eine starre Grenze von 35 Beitragsjahren für eine Renten-Aufstockung kann dazu führen, dass eine Rentnerin nach 35 Jahren Teilzeit eine höhere Rente bekommt, als ein Rentner, der „nur“ 34 Jahre Vollzeit gearbeitet hat. Was daran gerecht sein soll, ist das Geheimnis des Arbeitsministers. Wo der „Respekt“ vor dem bleibt, der 34 Jahre lang Vollzeit gearbeitet hat, auch.  

Sich um die Renten und die Rentner zu kümmern, gehört zu den wichtigsten Aufgaben eines Arbeits- und Sozialministers. Heil kümmert sich hier aber in erster Linie um das Image der Sozialdemokraten. Sein Plan geht nämlich weit über das hinaus, was die Sozialdemokraten mit der CDU/CSU im Koalitionsvertrag zum Thema Grundrente festgelegt haben. Heil möchte es zum „Show down“ kommen lassen: die soziale SPD gegen die unsoziale Union. Doch gegen den Koalitionspartner CDU/CSU kann die SPD gar nichts beschließen. Ein Koalitionskrach scheint also programmiert. Die Grundrente wird dennoch kommen – für die, die sie brauchen.  

Veröffentlicht auf www.focus.de am 4. Februar 2019.


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