07.05.2017

Mit „Selbstberauschung“ allein kommt die SPD nicht weiter

War Kiel die Endstation für den Schulz-Zug? Schon auf der Fahrt nach Saarbrücken hatte das Gefährt, das die SPD scheinbar unaufhaltsam ins Kanzleramt zu bringen schien, unter Antriebsschwäche gelitten. Jetzt kam er mit schwerem Getriebeschaden ins Ziel. Das heißt noch lange nicht, dass die SPD den Kampf ums Kanzleramt bereits wieder aufgeben müsste. In den vier Monaten bis September kann noch genauso viel passieren wie in den drei Monaten seit der Ausrufung von „Sankt Martin“ zum Superman der Politik.

Die CDU im hohen Norden, von den meisten Medien längst abgeschrieben, hat am Sonntag dazugewonnen. Die SPD dagegen, schon vor 5 Jahren nur zweiter Sieger, ist deutlich unter die 30-Prozent-Marke gerutscht. Man könnte auch sagen: Die Schulz-SPD ist auf Gabriel-Niveau geschrumpft. So schnell kann es gehen, wenn eine Partei – angefeuert von den meisten Medien – sich an sich selbst berauscht, die Wähler aber nicht erreicht.

Wie schon an der Saar hat das Schulz-Thema „ Gerechtigkeit“ an der Schlei ebenfalls nicht gezogen. Die CDU hat mit der Inneren Sicherheit dagegen die richtige Karte gezogen. Zu ihrem Glück spricht kaum noch jemand davon, wer den Kontrollverlust an den deutschen Grenzen im Herbst 2015 zu verantworten hat. Hinzu kommt: Die Weigerung der rot-grün-blauen „Dänen-Ampel“, illegale Zuwanderer aus Afghanistan abzuschieben, hat ihr viele wohlwollende Kommentare eingebracht, aber offenbar keine Stimmen. Sie wurde abgewählt.

Für die CDU-Wahlkämpfer an Rhein und Ruhr bedeutet das kräftigen Rückenwind aus dem hohen Norden. Die SPD und ihr Kanzlerkandidat werden es dagegen schwer haben, ihre eigenen Truppen für die letzte, entscheidende Woche vor der NRW-Wahl am nächsten Sonntag zu mobilisieren. An der Saar hat die Aussicht auf Rot-Rot Unionswähler mobilisiert und Teile des SPD-Anhangs abgeschreckt. Auch ein „Weiter so“ war in Schleswig-Holstein kein Konjunkturprogramm für SPD und Grüne. Selbst die Grünen mussten trotz ihres angesehenen Spitzenkandidaten Robert Habeck leichte Verluste hinnehmen, wenn auch auf hohem Niveau. Dabei darf man nicht vergessen, dass die ehemaligen Wähler der marginalisierten Piraten eigentlich das Grünen-Potential vergrößert haben. Die Misere der Bundespartei strahlt eben ins ganze Land aus. Das lässt auch die nordrhein- westfälischen Grünen schwarzsehen.

An den Rändern nichts Neues. Ganz rechts sammelt die heillos zerstrittene AfD genügend Wutwähler ein, um ins 12. Landesparlament einzuziehen. Ganz links scheitert Die Linke zum xten-Mal in einem westdeutschen Flächenstaat. Die umbenannte SED bleibt eben eine Ost-Partei, die im Westen nur in Hamburg, Bremen und im Lafontaine-Land an der Saar auf mehr als 5 Prozent kommt. Mit Verelendungsparolen allein lassen sich eben in Zeiten guter Konjunktur und hoher Beschäftigung keine Wahlen gewinnen, schon gar nicht in „Edel-Konkurrenz“ zu einem Martin Schulz in der Rolle des „Rächers der Enterbten“.

Die CDU erlebt an diesem Sonntag ein ganz besonderes Gefühl. Zum ersten Mal während der Kanzlerschaft von Angela Merkel kann sie in einem Land einen Regierungswechsel herbeiführen. Mit Kiel käme die CDU wieder auf 5 Regierungschefs (Hessen, Saarland, Sachsen und Sachsen-Anhalt); dazu noch ein CSU-Regent in Bayern. Zum Vergleich: 1998, bei der Abwahl Helmut Kohls, hatte die CDU/CSU noch 6 Ministerpräsidenten gestellt. Theoretisch ist auch eine „Ampel“ aus abgewählter SPD, Grünen und der gestärkten FDP möglich. Sollten die Freien Demokraten in Kiel jedoch Rot-Grün im Amt halten, könnte das viele bürgerliche Wähler abschrecken, im Herbst die FDP zu wählen.

Betrachtet man die Ergebnisse von Kiel und Saarbrücken zusammen mit den aktuellen Umfragezahlen für den Bund, lässt sich eine gewisse Normalisierung konstatieren: Die CDU/CSU hat sich von ihrem durch die Flüchtlingspolitik verursachten Tief zum Teil erholt, ist aber von der alten Stärke weit entfernt. Die SPD kommt – vom Gabriel-Malus befreit – bundesweit auf Werte, die ihrer Rolle in der Großen Koalition gerecht werde, aber keineswegs auf eine Wechselstimmung hindeuten. Es bleibt also dabei: Eine Zweier-Koalition im Bund wird nicht möglich sein – von Schwarz-Rot einmal abgesehen. Für die SPD hingegen bleibt nur die Hoffnung auf Rot-Rot-Grün. Nur wissen die Genossen, dass sie darüber nicht sprechen dürfen – jedenfalls nicht vor dem Wahltag.

Veröffentlicht auf www.tichyseinblick.de und www.huffingtonpost.de am 7. Mai 2017.


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