21.05.2022

Jetzt muss auch dem Letzten klar sein, wie diese AfD tickt

„Wir sind Liberale und Konservative“, lautet der erste Satz in der Präambel des Grundsatzprogramms der AfD. Wohlklingende Worte, nur entsprechen sie nicht der Wirklichkeit. Liberale sind tolerant und Konservative legen unter anderem Wert auf einen zivilisierten Umgang in politischen Auseinandersetzungen. Vielen AfD-Politikern geht beides ab: das Geltenlassen anderer Meinungen sowie jeglicher Anstand.

Von NDR und WDR analysierte Chats von Abgeordneten der rechtsradikalen Partei offenbaren, mit welcher Verachtung viele AfD-Politiker von politischen wie innerparteilichen Gegnern sprechen, welchen Hass sie gegen diesen Staat und seine Institutionen hegen. Wer die Bundesrepublik als „Unrechtsstaat“ bezeichnet, hat offenkundig ein gespaltenes Verhältnis zum Rechtsstaat. Wer die frühere Kanzlerin als „Ratte“ und „Volksverräterin“ beschimpft, kann für einen Demokraten - unabhängig von der parteipolitischen Ausrichtung - kein Gesprächspartner sein.

Die Extremisten sind ohne Zweifel stärker

In den 40.000 ausgewerteten Äußerungen dieser Chatgruppe, an der sich 76 AfD-Bundestagsabgeordnete beteiligten, fallen die offen rassistischen Äußerungen auf, ebenso üble Angriffe auf homosexuelle Politiker von CDU und SPD. Erschreckend auch die Umsturzphantasien samt der Aufforderung, die Partei müsse sich für die „kommenden gnadenlosen Kämpfe rüsten.“ So sprachen in den 1930er-Jahren die Nazis.

In den Chats wird ebenso deutlich, dass innerhalb der Partei ein heftiger Richtungskampf zwischen dem rechtsextremen Flügel und denen tobt, die nach AfD-Maßstäben als Gemäßigte gelten. Allerdings kann kein Zweifel bestehen, dass die Extremisten in dieser Rechtsaußenpartei über die stärkeren Bataillone verfügen, dass der angeblich aufgelöste „Flügel“ vielfach den Ton angibt. Das verständnisvolle Urteil führender AfD-Politiker über den Kriegsverbrecher Putin spricht Bände. Um das zu sehen, muss man jedoch keine vertraulichen Chats auswerten. Dafür muss man nur dem Parteivorsitzenden Tino Chrupalla und seiner Co-Fraktionsvorsitzenden Alice Weidel zuhören.

Chats belegen: AfD ist nicht konservativ, sondern rechtsextrem

Die AfD hat seit ihrer Gründung vor neun Jahren viele Wahlerfolge errungen. Doch die innerparteilichen Grabenkämpfe zwischen dem immer kleiner werdenden national-konservativen Flügel und den immer stärker auftrumpfenden Rechtsextremisten mit ihrem Führer Björn Höcke hat ihrer Anziehungskraft bei den Wählern geschadet. Nur noch 10,3 Prozent bei der Bundestagswahl nach 12,6 Prozent im Jahr 2017 und schwere Stimmenverluste bei den drei Landtagswahlen dieses Jahres lassen in der Partei die Alarmglocken schrillen. Das dürfte die Richtungskämpfe unter den um ihre Mandate fürchtenden AfD-lern noch verschärfen.

Wer genau hingeschaut hat, wenn selbst führende AfD-Politiker sich verächtlich über politische Gegner äußerten, die demokratischen Spielregeln missachteten, den Rechtsstaat diskreditierten, rassistische Thesen vertraten und das politische Klima zu vergiften suchten, der wusste schon lange, dass mit dieser Partei kein Staat zu machen ist. Die jetzt bekanntgewordenen Chat-Tiraden belegen dies: Die AfD ist weder liberal noch konservativ; sie ist eine rechtsextreme NPD 2.0.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 20. Mai 2022)


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