02.12.2021

Die CDU-Bewerber um den Vorsitz bewerfen sich mit Wattebällchen

Showdown bei der CDU. Im Kampf um den Parteivorsitz stellten sich Helge Braun, Friedrich Merz und Norbert Röttgen drei Tage vor Beginn der Abstimmung den Fragen von 25 ausgewählten Parteimitgliedern, live übertragen vom TV-Sender Phoenix. Aber es war ein sozusagen in Watte gepackter Endkampf. Es ging in der 90-minütigen Auseinandersetzung am Mittwochabend weder hitzig noch allzu kontrovers zu. Man musste vielmehr genau aufpassen, um wenigstens ein paar inhaltliche Differenzen herauszuhören. Fazit: Die Mitglieder haben die Wahl zwischen drei Politikern, die sich eher im Stil als in ihren Positionen unterscheiden.

Am aufschlussreichsten war das Finale. Jeder der Kandidaten sollte ein von ihm ausgewähltes Foto zeigen. Dabei offenbarten sich die unterschiedlichen Strategien sehr deutlich. Merz, der Favorit, zeigte ein Bild von sich zusammen mit seinen Kandidaten für die Position des Generalsekretärs, dem ostdeutschen Sozialpolitiker Mario Czaja, und der als Stellvertreterin vorgesehenen Christina Stumpp aus Baden-Württemberg. Seine Botschaft an die Mitglieder: Als Vorsitzender werde ich nicht der starke Mann sein, der alles alleine macht. Vielmehr bekommt ihr mit mir ein „die ganze Partei integrierendes“ Team.

Röttgen zeigte ein Foto seine Familie, wie sie das Abitur der 18-jährigen Tochter feiert. Der Außenpolitiker tritt normalerweise als kühler Analytiker mit intellektuellem Touch auf. Jetzt inszenierte sich als Familienmensch, für den es „Wichtigeres als die Politik“ gebe. Und wenn er sich manchmal frage, warum er sich politisch so ins Zeug lege, dann motiviere ihn ein Blick in das „strahlende Gesicht“ seiner Tochter. Dazu fehlten eigentlich nur noch schmachtende Geigen. Helge Braun, der Außenseiter, hat dagegen ankämpfen, als noch amtierender Kanzleramtsminister zu sehr mit dem Niedergang der CDU in der Endphase der Ära Merkel in Verbindung gebracht zu werden. Das konterte er mit einem Foto vieler junger CDU-Mitglieder, die am Wahlabend 2013 die damals erreichten 41,5 Prozent bejubelten. Seine doppelte Botschaft: Ich will die CDU zurück zu alter Stärke führen. Aber es geht weniger um mich, als um euch.

Die Foto-Show war das einzig wirklich Überraschende an dieser Schlussrunde vor der am 4. Dezember beginnenden Befragung der 400.000 CDU-Mitglieder. Alle drei vermieden direkte persönliche Angriffe. Mehr als einmal stimmten sie sich gegenseitig zu, was die Wahlentscheidung für die Abstimmenden sicher nicht leichter macht. Auffällig, wenn auch nicht überraschend setzte Röttgen als ehemaliger Umweltminister (2009-2012) entscheidend auf das Thema Klima. Er will die CDU „zur besten Klimapartei“ machen und das müsse der Vorsitzende verkörpern. Ein kleiner, eher sanfter Seitenhieb auf Merz, den man an der Parteibasis eher als Wirtschaftsexperten denn als Umweltpolitiker schätzt.

Merz seinerseits ließ Röttgen mit dessen Forderung, die „bildungspolitische Kleinstaaterei“ auflaufen. Sein kühler Hinweis: Der Föderalismus in der Bildungspolitik lasse sich nur über eine Änderung des Grundgesetzes erreichen. Und dazu brauche man eine Zwei-Drittel-Mehrheit. Die Herren kämpften eben mit dem Florett, nicht mit dem schweren Säbel.

Nicht einmal die in der Partei umstrittene Frauenquote führte zu einem Schlagabtausch, der mehr war als das gegenseitige Bewerfen mit Wattebällchen. Braun und Röttgen sind entschieden für die Einführung einer Quote. Merz ist und bleibt skeptisch, will weiterhin nach einer besseren Lösung zur innerparteilichen Förderung von Frauen suchen. Und deutete an dieser Front seinen Rückzug an: Wenn der Partei nicht Besseres einfalle, dann sei er ebenfalls für eine Quote. Nach dem in der Mitgliederschaft so geschätzten Klartext-Merz klang das nicht.

Bei der Suche nach inhaltlichen Unterschieden der potentiellen Laschet-Nachfolger wurde man in diesem „Triell“ nicht recht fündig. Dafür fielen die vielen Übereinstimmungen ins Auge. Braun, Merz und Röttgen sind sich einig, dass die am 26. September so schwer gebeutelte Partei einen Neuanfang braucht, dass eine Doppelspitze nicht zur CDU passt, dass das christliche Menschenbild die CDU von allen anderen Wettbewerbern unterscheidet, dass es zwischen CDU und CSU nie wieder so giftig zugehen darf wie vor der Bundestagswahl, dass die Parteiarbeit modernisiert und digitalisiert werden muss, dass die Mitglieder viel stärker eingebunden werden sollen, und dass – last not least – mehr Frauen, mehr junge Leute und mehr Menschen mit Migrationshintergrund für die CDU gewonnen werden müssen, als Mitglieder wie als Mandatsträger.

Wenn die CDU nun zum dritten Mal seit 2018 und erstmals unter Einbeziehung der Basis einen neuen Vorsitzenden wählt, dann geht es, nimmt man das Triell zum Maßstab, eher um einen Schönheitswettbewerb als um eine harte Richtungsentscheidung. Merz sucht einen Ausgleich zwischen Ökonomie, Ökologie und Sozialem, Röttgen setzt alles auf die Klimakarte und Braun erhofft sich von einer „Mitmachpartei“ die notwendigen Impulse zur Erneuerung der CDU.

Es gibt keine einzige seriöse Umfrage unter den 400.000 Parteimitgliedern, weil kein Umfrageinstitut Zugriff auf die Mitgliederdatei hat. Auch weiß niemand, wie die Mehrheit der Parteimitglieder tickt, deren einziges Engagement in der Überweisung des Mitgliedsbeitrags besteht. Das macht alle Prognosen über den Wahlausgang schwierig. Doch lässt sich Folgendes vermuten: mit ihrer Partei sehr Unzufriedene erhoffen sich von Merz neuen Schwung, Befürworter einer grünen CDU sehen in Röttgen den Retter und die treuen Merkelianer stimmen für Braun.

Am 17. Dezember, wenn die Stimmen ausgezählt sind, wissen wir mehr.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 2. Dezember 2021)


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