29.11.2021

Baerbock ist bei Corona weit entfernt von der Realität

Es müsste uns Bürger einfach beruhigen, wenn die Spitzenpolitiker genau wissen, was nottut. „Ich schließe nicht aus, dass es weiterer Schritte bedarf, womöglich pauschaler“, versicherte die designierte Außenministerin Annalena Baerbock (Grüne) in einem Spiegel-Interview. Deshalb will sie „die nächsten Tage nutzen, um sich ein ehrliches Bild zu machen.“ Ein weiterer markiger Satz: „Wir müssen jetzt alles dafür tun, dass die Krankenhausversorgung gesichert bleibt und nicht zusammenbricht.“

Ebenfalls starke Worte kommen vom angehenden Bundeskanzler: „Wir etablieren einen Krisenstab und entwickeln einen neuen, präzisen Umgang mit den aktuellen Herausforderungen zu Corona und Omikron“, schrieb Olaf Scholz (SPD) auf Twitter.“ Und klingt dabei wie ein Generalstabchef, der seine Truppen mit einem klaren Schlachtplan in den Kampf schickt: „Wir werden alles tun, was nötig ist. Es gibt nichts, was nicht in Betracht gezogen werden kann.“

Weitere Schritte! Alles tun! Nichts, was nicht in Betracht käme! So wünscht man sich Krisenmanager. Eigentlich. Nur verraten weder Baerbock noch Scholz, was sie denn konkret zu tun gedenken. Kein noch so hochgradig besetzter Krisenstab wird ein Konzept erarbeiten können, um all das wieder gutzumachen, was in den vergangenen Wochen versäumt worden ist.

Schon die GroKo hatte es im Oktober vergangen Jahres versäumt, mit einem Lockdown die zweite Welle zu brechen. Inzwischen ist auch die neue rot-grün-gelbe Mehrheit im Bundestag sehenden Auges in die vierte Welle hineingestolpert. Wer da noch Tage braucht, wie Baerbock, „um sich ein ehrliches Bild zu machen,“ scheint im sehr weit entfernt zu sein von dem, was sich in diesem Land abspielt.

Dabei gibt es zwischen 2020 und 2021 einen entscheidenden Unterschied: Die neuen Corona-Varianten sind aggressiver als die ursprünglichen, und die Bereitschaft in der Bevölkerung, Kontakte zu vermeiden und erst gar keine Menschenansammlungen entstehen zu lassen, ist fatalerweise deutlich gesunken. Von der Rücksichtslosigkeit der Impfmuffel wie der unbelehrbaren Impfverweigerer ganz zu schweigen. Auch Verwaltungen, die volle Fußballstadien und gute besuchte Weihnachtsmärte zulassen, sind politische Virenschleudern.

Da helfen keine Beschwörungen und keine Beschwichtigungen à la Baerbock, die angeblich gesicherte Krankenhausversorgung zu erhalten. Nein, nichts ist gesichert, und die Lage wird von Tag zu Tag bedrohlicher – in den Krankenhäusern im Allgemeinen wie auf den Intensivstationen im Besonderen. Mit jedem Tag, an dem die noch geschäftsführende Regierung ohne Mehrheit im Parlament nicht mehr handeln kann, und die neue Mehrheit nicht handeln will, steigt die Zahl der Infizierten, der Erkrankten und der Toten.

Es helfen keine großen Worte und kein Warten auf neue Erkenntnisse. Es ist geradezu lebensgefährlich, zu hoffen, bis zum 9. Dezember – der ersten Ministerpräsidentenkonferenz mit einem Kanzler Scholz – fiele ein „neue, präziser Umgang“ mit der Pandemie vom Himmel.

Nein. Rot-Gelb-Grün muss handeln. Jetzt. Ohne Scheu vor unpopulären Maßnahmen.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 28. November 2021)


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