06.04.2021

Über die Corona-Brücke kommt Laschet nicht ins Kanzleramt

Armin Laschet ist unter die Brückenbauer gegangen: Er schlägt im Kampf gegen Corona einen Brücken-Lockdown vor. Über die Konstruktion dieser „Brücke“ sollten, wenn es nach dem CDU-Vorsitzenden und Kanzleraspiranten geht, die Ministerpräsidenten und die Kanzlerin noch in dieser Woche beraten.

Zweifellos sind Brücken sinnvolle Bauwerke. Sie führen über Schluchten und reißende Flüsse ans sichere Ufer. Diese Ufer hieße für Laschet nicht nur eine Brechung der heftig anbrandenden dritte Infektionswelle. Er geht davon aus, auf der anderen Seite der Corona-Schlucht warte auf ihn der Sessel mit der Inschrift „Kanzlerkandidat“. Denn bei aller politischen Verantwortung, derer sich der nordrhein-westfälische Ministerpräsident in dieser Pandemie durchaus bewusst ist: Es wäre weltfremd anzunehmen, Laschet oder Söder oder Scholz bedächten bei ihren Entscheidungen nicht stets die Auswirkungen für ihre eigenen Ambitionen mit. Altruisten schaffen es in der Politik niemals nach oben.

Laschets Brücken-Plan ist, was seine Ausgestaltung angeht, eher nebulös. Ein bisschen mehr Lockdown ist noch keine Strategie. Erkennbar ist eines: Der NRW-Ministerpräsident, bisher eher im „Team Lockerung“, will ins „Team Vorsicht“ wechseln. Das wird vom bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder (CSU) angeführt. Und der trifft mit seinem härteren Kurs eher die Stimmung in der Bevölkerung. Die ist nämlich mit großer Mehrheit für schärfere Einschränkungen im Kampf gegen die Pandemie.

Es passt also ins Bild, dass die auf mehr Einschränkungen setzenden Bürger Söder eher die Kanzlerschaft zutrauen als Laschet. Ob der aber, wenn er jetzt – coronapolitisch – ins Söder-Lager wechselt, dessen Vorsprung ausgleichen kann, ist mehr als fraglich. Das Original genießt stets mehr Sympathien als die Kopie. Das gilt für Parteien wie für Personen.

Existenzangst in der Unionsfraktion

Laschets Vorstoß spricht nicht für eine überlegte Strategie auf dem Weg ins Kanzleramt. Er scheint eher einen Befreiungsschlag zu versuchen. Denn das Momentum nach seinem Wahlerfolg über Friedrich Merz vermochte er nicht für die eigenen Kanzler-Ambitionen zu nutzen. In den Umfragen ist der Vorsprung des Bayern sogar gewachsen und in der CDU wie in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wachsen die Skepsis gegenüber einem Kandidaten Laschet ebenso wie die Angst vor einem schlechten Wahlergebnis. Aus der Sicht der Unions-Abgeordneten ist es eher zweitrangig, ob es im September noch für einen Unions-Kanzler reicht oder nicht. Die 245 MdBs rechnen vielmehr Umfragewerte von 26 bis 28 Prozent in Mandate um und kommen zu dem Ergebnis, dass die CDU/CSU 40 bis 60 ihrer Mandate verlieren könnte. Da bricht bei mindestens 100 Fraktionsmitgliedern Existenzangst aus. Schließlich kann niemand genau vorhersagen, welche Wahlkreise und welche Listenplätze nicht mehr zum Zuge kämen.

Laschet hat nicht nur mit schlechten Umfragewerten zu kämpfen. Er hat zudem einen potentiellen Konkurrenten, von dem er gar nicht genau weiß, ob der überhaupt antreten will. Dass Söder es geradezu genießt, als bayerisches Orakel („Mein Platz ist in Bayern“) die Phantasie von Freund und Feind zu beflügeln, ist offenkundig. Aber er weiß um das Risiko einer Kandidatur. Sollte die Union mit ihm an der Spitze das Kanzleramt verlieren, käme Söder geschlagen und geschwächt nach München zurück. Sollte er hingegen Kanzler werden, brächte er die CSU – bei allem Stolz auf ihn – in große Schwierigkeiten. Als Kanzlerpartei könnte die CSU nicht mehr das praktizieren, was eine der Grundlagen ihrer großen Erfolge ist: im Bund möglichst viel für den Freistaat herauszuschlagen. Das würde die politische Statik in Bayern erheblich verändert.

Bis Pfingsten, der von Laschet und Söder vereinbarten „deadline“ für die Lösung der K-Frage, sind es noch 48 Tage. Es macht freilich keinen Sinn, die Entscheidung noch länger hinauszuziehen. Denn am 23. Mai wird sich das Leben selbst bei einer deutlichen Verbesserung der Impfsituation noch nicht soweit normalisiert haben, dass auch politisch wieder halbwegs normale Verhältnisse herrschen. Zudem sorgt jede weitere Verzögerung nur dafür, dass jede Handlung der beiden Ministerpräsidenten auf die Kandidaten-Waage gelegt wird. Obendrein sind – je länger die Frage offen bleibt – immer mehr Politiker aus den Reihen von CDU und CSU versucht, sich mit eigenen Wortmeldungen zu profilieren. Eine ständig streitende Union wird jedoch für die Wähler nicht attraktiver.

Laschet muss von Söder ein Ja oder Nein fordern

Laschet will Kanzler werden. Als Vorsitzender der ungleich größeren der Schwesterparteien muss er zudem den Anspruch der CDU hochhalten, den Kanzlerkandidaten zu stellen. Also muss Laschet jetzt handeln. Wer Kanzler werden und Deutschland regieren will, muss in der Lage sein, Söder zu einem klaren Ja oder Nein zur Kandidatur zu bewegen – und zwar schnell. Sollte Söder tatsächlich antreten, müsste die CDU/CSU-Bundestagsfraktion – wie 1980 bei Franz Josef Strauß gegen Ernst Albrecht – die Entscheidung treffen.

Im Übrigen gilt für Laschet wie für Söder: Noch weiter abzuwarten, ist keine Strategie. Wer auf ein Pfingstwunder hofft, könnte eher sein blaues Wunder erleben – dass nämlich eine zerstrittene Union bis dahin ihre Chancen verspielt hat, die mit Abstand stärkste politische Kraft zu bleiben. Mit seiner Corona-Brücke kommt Laschet jedenfalls nicht zur Kanzlerkandidatur, geschweige denn ins Kanzleramt. Ganz nebenbei: In diesem Land stehen „mitten der Pampa“ halbfertige Brücken, die nirgendwo hinführen – Denkmale falscher Planung.

(Veröffentlicht auf www.cicero.de am 6. April 2021)


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