26.08.2020

Der Corona-Sozialismus des Olaf Scholz

Nach der Ausrufung von Olaf Scholz zum Kanzlerkandidaten lag eine Doppelstrategie der SPD nahe: Der Bundesfinanzminister soll als Garant solider Politik bürgerliche Wähler anziehen, währenddessen die Ko-Vorsitzenden Saskia Esken und Norbert Walter-Borjans mit dem Versprechen neuer sozialer Wohltaten die Parteilinke bei der Stange halten. Zu dieser Arbeitsteilung ist es jedoch nicht gekommen. Der sozialdemokratische Hoffnungsträger rückt schon im Vorwahlkampf von den Grundsätzen ehrbarer hanseatischer Kaufleute ab und stürzt sich ins Schuldenmachen.

Natürlich war das richtig und wichtig, dass Scholz zu Beginn der Pandemie mit einem Ausgaben-Wumms den Konjunktureinbruch abzumildern suchte. Inzwischen aber lässt sich der „Herr der Kassen“ nicht mehr vom ökonomischen Kalkül leiten, sondern vom Prinzip der Stimmenmaximierung. Das geht nach dem Motto, „darf’s auch ein bisschen mehr sein?“.

Stimmenfang statt finanzpolitischer Vernunft

Dabei wäre gerade jetzt finanzpolitische Vorsicht angebracht. Die neuesten Wirtschaftsdaten geben allen Anlass zur Sorge: Der Staat hat im ersten Halbjahr rund 52 Milliarden Euro mehr ausgegeben als eingenommen; in den ersten sechs Monaten 2019 gab es noch ein Plus von 47 Milliarden. Dabei ist noch gar nicht eingerechnet, dass durch die zur Krisenbekämpfung vergebenen Darlehen, gewährten Bürgschaften und eingegangenen Beteiligungen an Unternehmen allesamt mit erheblichen Risiken behaftet sind. Viele Unternehmen werden nicht in der Lage sein, dem Staat das Geld zurückzuzahlen.

Als Finanzminister sollte Scholz dies zum Anlass nehmen, die Spendierhosen abzulegen. Der Wahlkämpfer Scholz stellt dagegen schon ungedeckte Schecks für 2021 aus: Auch im Wahljahr will Scholz die Schuldenbremse aussetzen. Mit anderen Worten: Der Bundesfinanzminister will sich bis über die Halskrause verschulden. Das hat es übrigens noch nie gegeben: Obwohl für den Bundeshaushalt 2021 noch keine konkreten Pläne vorliegen, verspricht der oberste Kassenwart schon heute, dass genügend Geld für Wahlgeschenke vorhanden sein wird. Das neue Scholz‘sche Haushaltsprinzip: ungebremste Verschuldung zu Lasten unserer Kinder und Enkel. Mit Haushaltsdisziplin hat das nichts mehr zu tun.

Der Staat kann Umsatz und Gewinn nicht auf Dauer ersetzen

Zweifellos befindet sich unsere Wirtschaft in einer schwierigen Lage. Der Staat kann aber beim besten Willen wegbrechende Umsätze und Gewinne nicht einfach ersetzen und alle Arbeitsplätze erhalten. Doch der Staat tut so, als wäre das möglich. Wenn Unternehmen nicht anzeigen müssen, dass sie faktisch pleite sind, erlauben wir Zombie-Firmen weiterhin, Kredite aufzunehmen und staatliche Hilfen zu kassieren. Wenn wir das Kurzarbeitergeld noch viel länger zahlen, schaffen wir eine Art Grundeinkommen für Arbeitnehmer ohne Arbeit und verzögern den unvermeidbaren Abbau von Kapazitäten. Und wenn der Staat sich an noch mehr Unternehmen beteiligt, fördert das nicht die notwendige Umstrukturierung, sondern führt uns eher in den neuen Corona-Sozialismus.

In dieser Lage brauchte das Land einen Finanzminister, der über den Tellerrand des nächsten Wahltermins hinausschaut – und entsprechend handelt. Es hat aber den Anschein, als habe auf dem Sessel des soliden Haushälters der geldausgebende Wahlkämpfer Scholz Platz genommen. Ob das das SPD hilft, steht in den Sternen. Für unsere Volkswirtschaft ist es jedoch höchst gefährlich.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 26. August 2020.


» Artikel kommentieren

Kommentare