05.05.2020

Eine fünfte Merkel-Amtszeit wird es nicht geben

Wird Horst Seehofer etwa altersmilde? Oder wollte er nur ein bisschen zündeln? Erst lobte er die Kanzlerin in höchsten Tönen: „Angela Merkel führt Deutschland gerade sehr stark durch die Krise.“ Und dann befeuerte er Spekulationen, seine ungeliebte Chefin könne bei der Bundestagswahl 2021 vielleicht doch noch einmal antreten. Ja, den Gedanken habe er schon mehrfach gehört, gab er gönnerhaft zu Protokoll.

Merkel und eine fünfte Amtszeit? Noch länger im Amt als der ewige Kanzler Helmut Kohl? Solche Gedankenspiele dürften die abermals in demoskopischen Höhen schwebende Regierungschefin nicht anfechten. Im Herbst 2018 hat sie ihren Rückzug aus der Politik für die Zeit nach der Bundestagswahl 2021 angekündigt – glasklar und unmissverständlich. Doch einen Rücktritt vom Rücktritt darf man bei ihr ausschließen. Merkel ist nicht bekannt für ein Hin und Her bei persönlichen Entscheidungen. Die Kanzlerin weiß sehr wohl, dass sie und die CDU/CU bei der nächsten Bundestagswahl keineswegs einen leichten Sieg erringen würden. Es ist nämlich keineswegs ausgemacht, dass ihr aktueller demoskopischer Höhenflug anhält. Wenn wir einmal unterstellen, dass wir im Frühjahr 2021 mit Blick auf Covid-19 das Schlimmste hinter uns haben, wird im Wahljahr Corona-Bilanz gezogen werden.

Da werden Opposition und Bürger viele Fragen stellen. Hatte die Regierung die Gefahr unterschätzt? Welche Fehler wurden bei der Pandemiebekämpfung gemacht? Wurde die Wirtschaft zu sehr abgewürgt? Waren die angeordneten Einschränkungen zu strikt? Mussten Kinder, Familien und Ältere unter dem Lockdown zu sehr leiden? Haben wir alles in allem einen zu hohen Preis gezahlt? Wie diese Bilanz in einem Jahr ausfallen würde, kann niemand wissen. Aber dass im Nachhinein viele Maßnahmen der Regierung sehr kritisch gesehen werden, kann man getrost unterstellen.

Ein Wahlkampf „nach Corona“ wird stattfinden vor dem Hintergrund vieler unternehmerischer Pleiten, ungewohnt hoher Arbeitslosenzahlen und aufgebrauchter Ersparnisse vieler Bürger. Da wird die Frage, wer die Rechnung für den Wiederaufschwung zahlen soll, die politische Agenda dominieren. Es wird also zu harten Verteilungskämpfen kommen. Müssen nur die „kleinen Leute“ die Zeche zahlen oder trifft es auch „die da oben“? Von welchem Einkommen an gelten Schultern als besonders stark? Und wieviel soll, ja muss man denen aufladen? Der Wahlkampf wird vor allem ein Kampf um eine gerechte Lastenverteilung sein – und mit harten Bandagen geführt werden.

Obendrein wird die Klimapolitik „nach Corona“ auf der politischen Tagesordnung wieder nach vorn rücken. Die Forderung nach einer besseren Verknüpfung von Ökonomie und Ökologie ist bekanntlich unverändert populär. Die Regierung wird jedoch aus wirtschaftlichen Gründen viele Entscheidungen treffen müssen, die bei den auf eine ökologische Erneuerung des Landes hoffenden Wählern nicht auf Zustimmung stoßen dürften.

Angela Merkel ist zu abgeklärt und zu nüchtern, um sich von den gegenwärtigen Umfragezahlen zu einer Änderung ihrer eigenen Lebensplanung verführen zu lassen. Zudem hat sie schon bei mehreren Wahlen die Erfahrung machen müssen, dass die CDU/CSU nicht automatisch von ihren eigenen hohen Sympathiewerten profitiert. Aus all dem ergibt sich: Die Wahl 2021 wäre für Merkel keineswegs ein Spaziergang, sondern ein Abenteuer. Das wird sie sich nicht antun.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 4. Mai 2020)


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