20.04.2020

Grundrente: Die SPD missbraucht die „Corona-Helden“

Man könnte meinen, die geplante Grundrente wäre ein Produkt der Corona-Pandemie, sozusagen eine Prämie für all die Menschen, die zurzeit das Land am Laufen halten: Pflegekräfte, Kassiererinnen, Lkw-Fahrer. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) begründet sein Festhalten an der Einführung zum 1. Januar 2021 damit, von der Grundrente würden „vor allem viele Berufsgruppen profitieren, die in der Corona-Krise stark gefordert sind.“ Auf der Corona-Welle schwimmt auch SPD-Generalsekretär Lars Klingbeil, der die Kritik der FDP an der neuen sozialen Wohltat auf Twitter so konterte: „Hey, liebe Pflegekräfte, KassiererInnen und Erzieherinnen, wenn ihr mehr Rente bekommen sollt, ist das für die FDP ein „teures Projekt“. Nur auf dem Balkon stehen und klatschen reicht nicht, liebe FDP. Genau deswegen kommt die Grundrente für die Menschen die etwas geleistet haben.“

Ob Heil, Klingbeil und andere Genossen, die genauso argumentieren, das selbst glauben? Wenn die Aufstockung von niedrigen Renten zum 1. Januar 2021 unmittelbar denen zu Gute kommen soll, die jetzt „systemrelevante“ Arbeit leisten, dann müssten diese ja alle zum Jahreswechsel in Rente gehen. Denn Grundrente können, wie das Wort schon sagt, nur Rentner beziehen, wenn man von Erwerbsunfähigen einmal absieht. Aber so alt sehen die Frauen und Männer gar nicht aus, die zurzeit in den Krankenhäusern einen aufopferungsvollen Dienst leisten, in den Supermärkten die Versorgung der Bevölkerung sicherstellen oder in Kitas für die Notfallbetreuung von Kindern sorgen, deren Eltern dringend an ihren Arbeitsplätzen gebraucht werden.

Ein Kampf mit „Fake News“

Natürlich nutzt die Grundrente den heute beruflich Aktiven gar nichts. Ohnehin weiß niemand, wie unser Rentensystem in 20 oder 30 Jahren aussehen wird, wenn die viel zitierten Helden der Coronakrise in den Ruhestand gehen werden. Mit der Grundrente sollen die Altersbezüge derer aufgestockt werden, die 33 Jahre lang Beiträge bezahlt haben und heute dennoch nur auf eine kleine Rente kommen. Nutznießer wären 1,3 Millionen der insgesamt 21 Millionen Rentner und die künftigen Rentenbezieher. Die Erhöhung kann bis zu 400 Euro im Monat betragen; im Durchschnitt werden es 70 Euro je Ruheständler sein. Der von den Genossen Heil und Klingbeil mit „Fake News“ geführte Kampf hängt damit zusammen, dass die Grundrente für die SPD zum Prestigeprojekt geworden ist. Ihre Einführung wurde für den Regierungsflügel der Partei zu einem wichtigen Argument, die GroKo nicht vorzeitig zu verlassen. Die CDU/CSU gab insofern nach, als sie auf die im Koalitionsvertrag festgelegte Bedürftigkeitsprüfung verzichtete. Jetzt sollen bei Beziehern kleiner Renten nur noch die Einkommensverhältnisse geprüft werden.

Gerade diese Überprüfung ist nach Einschätzung der Rentenversicherung bis zum Jahresende gar nicht möglich. Es war ohnehin ein sehr ehrgeiziger Plan, jedes der mehr als 21 Millionen Rentenkonten mit den Daten der Finanzämter abzugleichen. Das wird nun zusätzlich erschwert und verzögert, weil wegen der Coronakrise viele Mitarbeiter der beteiligten Behörden von zu Hause aus arbeiten. Zudem melden sich Politiker der Unionsparteien zu Wort, die das Projekt Grundrente verschieben oder ganz abblasen wollen: wegen der technischen Schwierigkeiten, aber auch mit Blick auf die Kosten. Ihr Argument: Angesichts der teuren Corona-Hilfspakete müsse der Staat sparen.

Eine Nachzahlung kurz vor den Wahlen?

Man braucht in dieser Lage nicht viel Phantasie, um sich den weiteren Gang der Dinge auszumalen. Die SPD wird mit aller Macht darauf beharren, die Grundrente per Gesetz zum 1. Januar 2021 einzuführen – auch und gerade mit dem Hinweis auf die „Corona-Helden“. Weil die Rentenversicherung die Einkommensüberprüfung aber nicht fristgemäß schaffen wird, hat Arbeitsminister Heil bereits vorgeschlagen, die Renten der Begünstigten nach und nach anzuheben. Wer dann erst im April, Mai oder Juni dran ist, dem werden die Erhöhungsbeträge nachträglich ausgezahlt. Es kann ja auch nicht schaden, wenn Hundertausende von Rentner im Sommer nächsten Jahres einen Nachschlag erhalten – kurz vor der Bundestagswahl 2021.

(Veröffentlicht auf www.focus.de am 20. April 2020.)


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