27.11.2018

Friedrich Merz und sein 40-Prozent-Traum

Ob Friedrich Merz nachts im Traum die Zahl 40 erscheint? Jedenfalls traut es sich der potentielle CDU-Vorsitzende zu, die Union wieder in die Nähe der 40 Prozent-Marke zu bringen und nebenbei die AfD zu halbieren. Wenn eine politische Formation aktuell bei 25 bis 27 Prozent herumdümpelt, dann sind 40 zweifellos ein sehr ambitioniertes Ziel. Die „Traumsymbolik 40“ steht bei Traum-Deutern jedenfalls für sprirtuelle Überzeugung, Festigkeit und Stärke.

Merz will also der Union wieder zu jenen magischen 40 Prozent verhelfen, die alte CDU-Kämpen so wohlig an die Kohl-Jahre erinnern. Das wirkt so, als kündige da jemand mal so nebenbei die Besteigung eines Dreitausenders an. Denn die Zeiten, in denen CDU und CSU gemeinsam 40 Prozent und mehr erreichten, liegen lange zurück, sehr lange. Bei den ersten beiden Bundestagswahlen nach der Wiedervereinigung, 1990 und 1994, holte die CDU/CSU mit Kohl 43,8 und 41,4 Prozent. Bei den folgenden sechs Wahlen gelang das aber nur noch ein einziges Mal: 2013 mit 41,5 Prozent.

Die 40 war für die Union in der Nach-Kohl-Ära nur noch bedingt das Maß der Dinge. Mit Angela Merkel landete die CDU bei drei von vier Bundestagswahlen bei 35 Prozent und weniger; die stolze Ausnahme waren die 41,5 Prozent von 2013, als die FDP unter 5 Prozent rutschte, die SPD schon voll im Abwärtstrend lag und die AfD noch nicht einmal ein Jahr alt war. Auch bei Landtagswahlen gelten 40 Prozent inzwischen fast als unerreichbar. Annegret Kramp-Karrenbauer war 2017 die letzte, die an der Saar stolze 40,7 Prozent erreichte. Die anderen beiden CDU-Wahlsieger der letzten beiden Jahre, Armin Laschet in Nordrhein-Westfalen und Daniel Günther in Schleswig-Holstein, zogen mit „Merkel-Ergebnissen“ in ihre jeweilige Staatskanzlei ein: 33,0 und 32,0 Prozent. Das bisher schlechteste Merkel-Ergebnis bei der Bundestagswahl vor einem Jahr: 32,9 Prozent.

Mit dem Schlachtruf „40 Prozent“ begeistert Merz nicht wenige in seiner Partei. Gleichwohl ist es angesichts des Aufkommens der rechtspopulistischen AfD wie der Westausdehnung der PDS unter dem Namen „Die Linke“ viel schwieriger geworden als noch Anfang der 1990er-Jahre, auf 40 Prozent zu kommen. Viele Unionisten träumen dennoch von einer Wiederholung jener kurzen goldenen Zeit. Dafür braucht man aber angesichts der veränderten Lage Stärke, Festigkeit - und viel spirituelle Überzeugung.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 27. November 2018.


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