17.07.2018

Eine starke Merkel bräuchte keine Unterstützung

In der CDU machen die Anhänger Angela Merkels mobil. „Union der Mitte“ nennt sich die neue Gruppierung. Ihre innerparteilichen Gegner sind der „Berliner Kreis“, ein Zusammenschluss konservativer CDU-Abgeordneter, und die „WerteUnion“, eine Vereinigung von CDU-Mitgliedern, die näher bei Horst Seehofer als bei Angela Merkel stehen. Dann haben sie noch einen dritten Gegner: die CSU.

Die neue Gruppe agiert vor allem in den sogenannten sozialen Medien. Große Namen befinden sich nicht unter den Initiatoren. Mit Karin Prien, Wissenschaftsministerin in Schleswig-Holstein, gehört immerhin eine Landesministerin dazu. Weitere, zumindest in Berliner Zirkeln bekannte Mitte-Streiter sind der außenpolitische Sprecher der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, Roderich Kiesewetter, der frühere CDU-Generalsekretär Ruprecht Polenz oder Hessens Ex-Europaminister Volker Hoff. Armin Laschet, Ministerpräsident von Nordrhein-Westfalen und einer der treuesten „Merkelianer“, hat seine Sympathie für den Kreis auf Twitter so bekundet: „Wenn ich Tweets der @UnionderMitte richtig lese, geht es eher um Politik von Adenauer, Strauß und Kohl, pro-europäisch, gegen Unilateralismus und einseitige Grenzschließung, gegen Rechtsruck und "konservative Revolution", für das offene Schengen-Europa.“

Laschet hat Recht: Die „Union der Mitte“ steht eindeutig für die Politik Angela Merkels, insbesondere für ihre Flüchtlings- und Europapolitik. Bekanntlich ist Angela Merkel aber nicht nur Kanzlerin, sondern auch Bundesvorsitzende der CDU. Die Gründung der „Union der Mitte“ ist deshalb ein Signal für die seit einiger Zeit zu beobachtende Merkel-Dämmerung. Die Kanzlerin und CDU-Vorsitzende musste dem CSU-Chef und Innenminister Seehofer in der Flüchtlingspolitik mehr Zugeständnisse machen, als ihr lieb war. Ihre Mehrheit in der CDU/CSU-Bundestagsfraktion wackelt. Deshalb hat sie auch alles getan, um in der Fraktion eine Abstimmung über Seehofers „Masterplan Migration“ zu verhindern. Zudem hat ihre Flüchtlingspolitik die „Schwestern“ CDU und CSU weiter voneinander entfremdet, als das seit den Tagen von Kreuth im Jahr 1976 jemals der Fall war. Schließlich geht durch die CDU selbst ein tiefer Riss zwischen den Modernisierern um Merkel und den Konservativen, die schon lange vor der Flüchtlingskrise die „Sozialdemokratisierung“ ihrer Partei beklagten.

Die Stärken der CDU gegenüber der SPD waren immer ihre Geschlossenheit und ihr Pragmatismus. Doch im Jahr 18 unter der Vorsitzenden Merkel erscheint die CDU zerrissen und zerstritten wie schon lange nicht mehr. Wenn Merkels Anhänger glauben, einen innerparteilichen Unterstützerkreis für ihre Vorsitzende gründen zu müssen, dann muss die Vorsitzende ein ernsthaftes Problem haben – und die Partei auch. Starke Vorsitzende müssen nämlich nicht gestützt werden – und brauchen keinen Unterstützerkreis.

Veröffentlicht auf www.focus.de am 17. Juli 2018.


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