„Hugo Müller-Vogg, bis 2001 Herausgeber der Frankfurter Allgemeinen Zeitung (FAZ), gilt als einer der bekanntesten Publizisten Deutschlands. Er bestimmt durch Bücher zu Politik und Wirtschaft immer wieder die öffentliche Debatte. Entsprechend gespannt waren die rund 40 Mitglieder des Bodensee-Presse-Clubs (BPC) Friedrichshafen sowie Gäste der Konrad-Adenauer-Stiftung, als Müller-Vogg zum Thema „Die neue Sechs-Parteien Republik Deutschland“ seine Gedanken entwickelte. Besondere Aktualität erhielt der Vortrag im Seehotel durch die Wahlergebnisse und Prognosen in Mecklenburg-Vorpommern sowie am Sonntag in Berlin, bei der die Alternative für Deutschland (AfD) ihre Anziehungskraft für Protestwähler unter Beweis stellte. Der Analyse zur aktuellen Entwicklung der Parteienlandschaft folgte eine lebhafte Diskussion. BPC-Präsident Manfred Weixler zeigte sich zum Schluss der diesjährigen Vortragsreihe überzeugt davon, dass die Zuhörer kompetent den neuesten Stand der Parteienlandschaft im Lande dargestellt bekamen. Damit können politische Entwicklungen entsprechend eingeordnet werden.
„Die Parteienlandschaft ist um Umbruch“, stellte Hugo Müller-Vogg die Ausgangssituation an den Beginn seines über einstündigen Vortrags. Derzeit sei eine Polarisierung der Meinungen in der Politik festzustellen, wie es sie seit Jahren nicht mehr gab. „Aus Wut-Bürgern werden Wut-Wähler mit den entsprechenden Ergebnissen“. Die Wahlbeteiligungen steigen. Grund dafür ist die Tatsache, dass Bürger glauben, es gehe um etwas und sie müssten sich einbringen. Der Wähler, der mit der Arbeit einer Regierung nicht zufrieden ist, der wählt eine Partei, die den anderen richtig weh tut. Diese Wähler sind nicht an Lösungen interessiert.“ Und auf dieser Welle reitet seit 2013 die AfD zunächst mit dem Thema der Euro-Ablehnung. „Die Flüchtlingsproblematik war dann der Dünger für diese Pflanze“, führte Müller-Vogg aus. Wie und wohin sich die Alternative für Deutschland entwickle, sei heute nur Kaffeesatzleserei. Eines steht für ihn aber fest: Die AfD wird 2017 in den Bundestag einziehen.
Müller-Vogg legte dar, dass die Zeiten vorbei sind, in denen CDU und SPD immer die Mehrheit haben, wie in der Bonner Republik. Als dritte Kraft habe damals die FDP oft das Zünglein an der Waage gespielt und damit die Richtungen der Politik vorgegeben. Mit dem Aufkommen der Grünen, der Linken, der Piratenpartei und aktuell der AfD gestalte sich die Parteienlandschaft so bunt wie noch nie. „Die alten Bindungskräfte wirken nicht mehr“, beobachtet der Redner. Bei den beiden alten Volksparteien wisse der Wähler nicht so recht, wer für was steht. „Alles ist möglich. Das bindet aber keine Wähler“. In der Folge wird die Regierungsarbeit immer schwerer. Dreier-Koalitionen werden immer mehr notwendig. Diese seien von unterschiedlichsten Farben in den Länderregierungen geprägt.
In der lebhaften Diskussion wurde deutlich, dass das Wählerverhalten auch durch den sorgenvollen Blick in die Zukunft geprägt ist. Selbst gehe es einem derzeit so gut wie selten. Gefragt werde aber immer mehr, wie es einmal den Kindern und Enkeln gehen wird. Oder wie sich die Altersvorsorge in Zeiten einer Null-Zins-Politik darstellen wird. Bei der Frage, wie der Publizist die Zukunft von Kanzlerin Angela Merkel sieht, kamen klare Antworten. Müller-Vogg geht davon aus, dass Merkel wieder als Kanzler-Kandidatin antreten wird. Ebenso glaubt er an neue Gemeinsamkeiten und damit einem Burgfrieden mit der Schwesterpartei CSU. Hugo Müller-Voggs Fazit: „Ich mache mir um die Zukunft unserer Demokratie keine Sorgen. Die See wird vielleicht rauer, aber das Schiff wird auf Kurs bleiben.“
Quelle: „Südkurier“, Konstanz, 28. September 2016